: Taschengeld und Kleiderkammer
■ Neue Leistungseinschränkungen für Asylbewerber / Hamburg zeigt sich „großherzig“ / „Unnötige Konflikte vermeiden“ Von Sannah Koch
Zum November beschert die Bundesregierung Flüchtlingen eine weitere Verschlechterung fürs Leben im Exil: Seit gestern ist das neue Asylbewerber-Leistungsgesetz in Kraft. Danach sollen Flüchtlinge in den ersten 12 Monaten ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Sozialhilfe nicht mehr bar ausgezahlt bekommen, sondern als Sachleistung. Eine Vorgabe, der Hamburg jedoch nur teilweise nachkommen wird.
Ginge es nach dem Willen der Bundesregierung, dann müßten Asylsuchende seit gestern auch in Hamburg mit nur 80 Mark monatlichem Taschengeld (Kinder: 40 Mark) auskommen. Die Differenz zum früheren Sozialhilfesatz gäbe es dann in Einkaufsgutscheinen und Sachwerten. So jedenfalls wird es jetzt die schleswig-holsteinische Landesregierung praktizieren. Allerdings räumt selbst Peter Hinz, zuständiger Abteilungsleiter im Innenministerium ein, daß es bei der Umsetzung des Gesetzes in den Sozialämtern zu „erheblichen Problemen“ kommen werde. In Schleswig-Holstein beziehen derzeit 12.490 Flüchtlinge Sozialhilfe.
Der Hamburger Senat wählte jedoch für die hiesigen 22.000 Asylsuchenden einen anderen Weg – zumindest für diejenigen in den Gemeinschaftsunterkünften. Diese sollen künftig nur Hausrat und Bettwäsche als Sachwerte von der Sozialbehörde beziehen, der Rest soll weiterhin bar ausgezahlt werden. Der Sozialhilfesatz wurde nach den Vorgaben des Bundes allerdings zusätzlich um die Bekleidungspauschale gekürzt – Flüchtlinge sollen sich künftig aus den kommunalen Kleiderkammern versorgen. Ein erwachsener Flüchtling wird in Hamburg künftig 420 Mark (Kinder je nach Alter zwischen 260 und 350 Mark) erhalten.
„Unser Hauptmotiv ist ein reibungsloses Zusammenleben in den Unterkünften zu gewährleisten“, erläutert Sozialbehördensprecherin Christina Baumeister das Hamburger Vorgehen. Das neue Asylbewerber-Leistungsgesetz gelte nur für Flüchtlinge, die jetzt in die BRD einreisen – für die übrigen gilt weiter das Bundessozialhilfegesetz. In der Hansestadt gibt es jedoch nur Unterkünfte, in denen beide Gruppen gemischt untergebracht sind. Es sei nicht zu rechtfertigen, so Baumeister, daß die eine Gruppe Bargeld, die andere jedoch nur Gutscheine bezöge: „Das würde zu unnötigen Konflikten führen.“
Diese Regelung erstreckt sich jedoch nicht auf die etwa 1500 Menschen auf den Erstaufnahmeschiffen in Neumühlen. Sie erhalten dort weiterhin Gemeinschaftsverpflegung, statt Sozialhilfe bekommen sie künftig einen Beutel mit Hygiene-Utensilien und 80 bzw. 40 Mark Taschengeld.
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