: Bosnische Flüchtlinge mit Kulturbegleitung
■ Projekt in Köpenick für Flüchtlinge / Verantwortliche zeigten Zivilcourage
Ein für Berlin einzigartiges Projekt ist im Köpenicker Ortsteil Friedrichshagen realisiert worden. Im Gemeindehaus der evangelischen Kirche haben ein Ausländerwohnheim, der Bürgerverein und eine vielversprechende Stätte der schönen Künste Platz unter einem Dach gefunden.
Das „Haus am Myliusgarten“ wird am Samstag eröffnet. Zur Einweihung der neuen Bleibe des Bürgervereins und des 180 Plätze bietenden Konzertsaals hat sich außer Prominenz aus dem Köpenicker Rathaus auch die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John (CDU), angesagt. Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina waren bereits vor einer Woche in den oberen Etagen des Gebäudes einquartiert worden.
Beteiligten wie Verantwortlichen ist zweifellos Zivilcourage zu bescheinigen. Von Anfang an war ihr Projekt in der Bevölkerung auf Widerstand gestoßen. Über Bedenken in Teilen der Bevölkerung, daß Rechte auch um das beschauliche Friedrichshagen keinen Bogen machen, setzten sie sich jedoch hinweg. Angriffe auf das „Haus am Myliusgarten“ will Johannes Schönherr, der die Veranstaltungen im Konzertsaal organisiert, deshalb auch nicht ausschließen.
Auf der anderen Seite hält Thomas Berger vom Bürgerverein dagegen, Friedrichshagen sei traditionell ausländerfreundlich. So seien schon vor 240 Jahren böhmische Flüchtlinge aus Königsgrätz (Hradec Kralove) freundlich aufgenommen worden, verweist er auf die Orts-Chronik. 1914 lebten in Friedrichshagen Menschen von elf Nationalitäten. Der Bürgerverein will sich nun bemühen, die Neuankömmlinge in seine Aktivitäten einzubeziehen. Frauentreffen und Adventsnachmittage sind ebenso geplant wie Begegnungen, bei denen die Flüchtlinge Gelegenheit bekommen sollen, den Ortsansässigen ihr Schicksal nahezubringen. Außerdem sollen Bekleidung und Spielzeug für die völlig mittellosen Bosnier gesammelt werden.
Derzeit ist das Heim mit 63 Bewohnern erst zur Hälfte belegt. Die meisten Flüchtlinge sind Moslems. Auch für drei Roma-Familien mit ihrer großen Kinderschar hat sich Platz gefunden. Sie alle sind in der Obhut der Betreiberfirma „Sorat“, einer Berliner Gesellschaft, die Unterkünfte für Aussiedler, Asylbewerber und Obdachlose einrichtet und betreut. Erklärtes Ziel der Gesellschaft ist es, den Menschen zu helfen, ihre schwierige Lebenssituation zu bewältigen, eigene Initiativen zu entwickeln und wieder Lebensmut zu finden.
Nach dem Friedrichshagener Konzept dürften die Erfolgsaussichten besser sein als in herkömmlichen „Ausländersilos“. Denn auch der Verein Myliusgarten e.V. von Johannes Schönherr will mit seinen künstlerischen Veranstaltungen Deutsche und Ausländer zusammenbringen. Noch für dieses Jahr stehen sechs Konzerte auf dem Programm. Den Auftakt geben am Samstag abend der Tenor Martin Krumbiegel und die Berliner Barock-Compagney. Es folgen Helene Gjerris aus Kopenhagen, Mark Kroll aus Boston und das Philharmonia-Quartett der Berliner Philharmoniker. ADN/taz
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