Britisches Oberhaus demütigt Major

Die Pläne der britischen Regierung zur Bahnprivatisierung stoßen bei den Lords und Ladies auf Ablehnung / Das Gesetz wird aber wahrscheinlich trotzdem verabschiedet  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Ob im Unterhaus oder im Oberhaus – der britische Premierminister John Major hat es mit seiner eigenen Partei nicht leicht. Am Mittwoch fügten ihm die Lords und Ladies im Oberhaus gleich drei schwere Schlappen zu. Dabei ging es jedesmal um die umstrittene Privatisierung der Eisenbahngesellschaft British Rail. Die Lords und Ladies, die nicht damit einverstanden waren, daß das Staatsunternehmen im Zuge der Privatisierung nicht mit den Privatunternehmen gleichberechtigt mitbieten darf, lehnten den Regierungsentwurf dreimal ab.

Wenn es nach Major geht, soll die Eisenbahngesellschaft, die im vergangenen Jahr 145 Millionen Pfund (360 Millionen Mark) Verlust eingefahren hat, im nächsten Jahr in ihre Bestandteile zerlegt werden, um sie auf die Privatisierung vorzubereiten. Zahlreiche neue Unternehmen sind vorgesehen: „Railtrack“ soll für die Infrastruktur einschließlich Schienennetz und Signale zuständig sein, während der Eisenbahnbetrieb in Regionaleinheiten aufgeteilt wird.

Die Regierungspläne stießen von Anfang an auf allgemeine Kritik. Nicht nur die Oppositionsparteien und Gewerkschaften, sondern auch Benutzervereinigungen, die Angestellten von British Rail und viele Tory-Hinterbänkler haben Transportminister John MacGregor den Kampf angesagt.

Nach Expertenmeinung werde nämlich das unausgegorene Konzept nicht nur zu höheren Preisen, einem schlechteren Service und erhöhtem Unfallrisiko führen. Es sei darüber hinaus ein „bürokratischer Alptraum“. Der Wasserkopf der Verwaltung soll noch weiter aufgebläht werden: Eine Lizenzbehörde wird für die Einteilung und Vergabe der Regionaleinheiten zuständig sein, eine Aufsichtsbehörde soll über den fairen Wettbewerb wachen, und eine ganze Reihe von regionalen Interessenvertretungen sollen sich um die Belange der KundInnen kümmern.

Die Lords warfen Major nun einen Knüppel zwischen die Beine. Es war seit fast 20 Jahren nicht mehr vorgekommen, daß das Oberhaus einer Regierung Paroli geboten hat, wenn es um politische Prinzipien ging. Entsprechend war die Reaktion im Unterhaus: Die Opposition, der das Votum der adligen Fossiliensammlung unverhofft in den Schoß gefallen war, nutzte die Gunst der Stunde, um die Regierung durch offene Häme weiter zu demütigen.

Als auch zwei Kompromißvorschläge der Regierung, die schnell durch das Unterhaus geboxt wurden, vom Oberhaus wie bei einem Pingpongspiel postwendend zurückgeschickt wurden, brach im Parlament ein Chaos aus, das bei der fernsehenden Nation ungläubiges Staunen auslöste: Da tanzten einige Abgeordnete auf den Bänken, andere schnitten Grimassen, und eine Handvoll Politiker warfen sich quer durch den ehrwürdigen Saal Zylinderhüte wie Frisbee- Scheiben zu. Schließlich wurde die Debatte vertagt. Das Ergebnis lag zu Redaktionsschluß noch nicht vor.

Die Niederlage ist zwar äußerst unangenehm für den Premierminister, dürfte letztendlich jedoch nichts an dem Privatisierungsgesetz ändern. Alles deutete darauf hin, daß die Lords bei der erneuten Abstimmung gestern abend klein beigeben und die Wettbewerbsbeschränkung für British Rail hinnehmen. Lord Peyton, der ehemalige konservative Transportminister und Anführer der neun Tory- Rebellen, sagte: „Wir haben unser Pulver verschossen. Das gewählte Haus gewinnt immer unter diesen Umständen. Es ist ein schlechtes Gesetz, das wahrscheinlich schwerwiegende Folgen haben wird, aber wir können nichts mehr machen.“ Und der frühere Tory- Vorsitzende Lord Tebbit fügte hinzu: „Auch in der Labour Party will niemand, daß das Oberhaus zu mächtig wird. Wir werden also noch mal laut knurren, und uns dann auf den Rücken rollen, um uns von der Regierung den Bauch kraulen zu lassen.“