: „Valdas ist kein Weltklassespieler“
■ Ein Gespräch mit HSV-Trainer Benno Möhlmann über Politik, Fußball und Medien
Seit September 1992 ist Benno Möhlmann Trainer des HSV. Die neuerlichen Erfolge des Hamburger Traditionsvereins werden seiner Ägide zugeschrieben.
taz: Gefällt Ihnen, wie es derzeit beim HSV läuft?
Benno Möhlmann: Ich habe die Mannschaft ja in einer sehr prekären Situation übernommen. Es lief sportlich nicht zu gut und auch die Stimmung drumherum war sehr schlecht. Ich glaube schon, daß wir das in diesem halben Jahr besser hingekriegt haben. Die Stimmung ist für den sportlichen Wert, den wir im Moment darstellen, schon sehr gut.
Auf den Pressekonferenzen gegen Ende der letzten Saison wirkten Sie oft so, als wenn Sie - um es mal salopp auszudrücken - keinen Bock mehr hätten.
Die Arbeit beim HSV hat mir eigentlich immer Spaß gemacht. Bloß in der Endphase der Saison, wo eigentlich nicht mehr viel geht nach oben oder unten und die Medien immer noch irgend'was besonderes hören wollen, da habe ich keine Lust mehr Fußball, so wie ich es sehe, spielt sich auch viel im normalen Bereich ab und nicht nur in diesen Extremitäten, die die Presse interessieren. Es ist genau wie das normale Leben. So eine Trainingswoche läuft ja auch ohne große Höhepunkte ab, da muß man nicht jeden Tag mit hundertprozentiger Begeisterung oder tiefer Trauer dabei sein. Das versuche ich auch rüberzubringen, aber das ist schwer und auch nicht so gefragt.
Wie ergeht es Ihnen, wenn Ihnen auf dem Bildschirm eigene Reaktionen wie die in Karlsruhe vor Augen geführt werden, als Sie aus Verzweiflung über die schwache Leistung Ihres Teams den Kopf an eine Werbegetränkedose stießen?
Im Fernsehen haben die das sechsmal gemacht, aber sooft habe ich da nicht gegengehauen. Bei der Aktion habe ich nicht gemerkt, daß ich gefilmt wurde, aber manchmal nervt das schon. Damals fand ich es ganz gagig. wie er das gemacht hat, obwohl das für einen selbst natürlich ein bißchen blöde aussieht.
Wo würden Sie die Grenze vor der Zudringlichkeit der Kameras ziehen?
Entscheidend ist immer der sportliche Bereich und davon abhängig ist auch immer, was man so an Showeffekten macht. Das ist ja nur ein Zugeständnis an die Medien. Ich will nicht sagen, falls wir mal irgendwann Meister werden, daß die Kabine dann total zu ist, aber bislang sind die Kabine und der Bus Taburaum, wo wir unter uns sein wollen.
Anfragen gibt es aber schon?
(lacht) Ja, sicher.
Ich möchte Ihnen ein Zitat von Argentiniens Ex-Nationaltrainer Menotti vorlesen und Sie um Ihre Meinung dazu bitten: „Der Fußballspieler ist ein Bürger wie jeder andere, er ist Bestandteil einer Gesellschaft, für die er gemeinsam mit seinen Mitmenschen verantwortlich ist. (...) Ein Spieler darf sich nicht aus dem Bereich der Politik verdrängen lassen. Niemand sollte das mit sich geschehen lassen.“
Ja, das ist richtig, aber man darf auch nicht von einem Fußballspieler, nur weil er in der Öffentlichkeit steht, mehr verlangen, als von anderen Bürgern auch. Jeder Mensch sollte sich ja für das Gemeinwohl einsetzen und tut es doch nicht. Insgesamt geht die Entwicklung immer mehr zur Individualisierung.
Richard Golz glaubte zu spüren, daß Sie seinen Beitrag zum Buch „Fußball und Rassismus“ mißbilligten.
Es ging darum, daß Richard Golz sich leichtfertig über andere Vereinsmitglieder geäußert hatte, ohne diese vorher zu fragen. Wenn er nur seine Meinung über das Thema geäußert hätte, wäre das kein Problem. Insgesamt ist diese Gemeinschaft, das, was den HSV hier ausmacht, sein erster Bereich. Das andere ist sein größerer Bereich, in dem er sicherlich auch zurechtkommen muß. Ein noch kleinerer Bereich ist seine Familie. Wenn ich Krach habe mit meiner Frau, nützt es nichts, wenn ich mich an die Zeitung wende. Da muß ich erst mal mit ihr reden, im nächsten Schritt vielleicht mit ihren Eltern oder den Kindern und dann vielleicht mit den Nachbarn. Man kann nicht irgendwo außen anfangen, wenn man Kritik hat.
Wie lautet Ihre persönliche Einschätzung zum Thema „Fußball und Rassismus“?
Da gibt es keine Probleme. Ich glaube es gibt nirgends soviel Akzeptanz gegenüber Ausländern, wie im Fußball - im Sport allgemein - unter den Athleten.
Halten Sie es nicht für wichtig, sich von den rassistischen Schmährufen aus der Westkurve zu distanzieren?
Damals haben sich ja Volker Schock und die Spieler dagegen ausgesprochen. Aber was sollen wir denn machen? Wir können ja nicht da oben hinlaufen und die vertrimmen.
Die zögerliche Haltung führt dazu, daß sich beispielsweise die DVU während der Wahl bemüßigt fühlte, bevorzugt am Volkspark zu plakatieren.
(Pause) Das ist mir gar nicht aufgefallen. Daß man da manchmal nicht aufmerksam genug ist, das gebe ich Ihnen gerne zu.
Sie sind bekannt für die Vorsichtigkeit Ihrer Prognosen. Warum sprechen auch Sie jetzt von der Möglichkeit des Erreichens eines UEFA-Cup Platzes?
Ich prognostiziere nicht gern, weil ich das nicht kann. Es ist richtig, daß ich in der Euphorie nach dem ersten Bremer Spiel gesagt habe, wenn wir so spielen, dann können wir uns schon andere Ziele stecken. Man muß das aber auch realistisch sehen. Man erzählt ja auch immer, daß der Toppmöller große Sprüche raushaut. Das sehe ich nicht so. Die haben letztes mal schon um die Meisterschaft mitgespielt und haben sich noch verstärkt. Wir haben dagegen letztes Jahr fast die ganze Saison um den Abstieg gespielt.
Warum ist von Valdas Ivanauskas momentan sehr viel weniger zu sehen, als am Anfang der Saison?
Der Valdas ist kein Weltklassespieler. In der Anfangsphase hatte er einige sehr gute Aktionen, aber er hat nicht so stark gespielt, wie er zu dem Zeitpunkt gemacht worden ist. Es kommt dazu, daß seine Gegenspieler ihn jetzt konzentrierter angehen und er in einigen Spielen durch Verletzungen gehandicapt war. Der Druck der Öffentlichkeit hat ihn auch manchmal zu verkramft gemacht. Ich bin mit ihm bislang jedoch sehr zufrieden, ich habe nicht erwartet, daß er jedes Spiel drei solche Alleingänge macht, wie gegen Schalke.
Laut Bundesliga-Experten-Test in einem bekannten Fußballmagazin sind Sie mit Abstand das Beste am HSV. Was sagen Sie dazu?
(lacht). Das Ding muß ich mal rausholen, jetzt, wo es um die Vertragsverhandlungen geht.
Interview: Claudia Thomsen
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