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Hauen und Stechen und alle gegen Alex

■ Grün-alternativer Unfrieden durch Atom-“Kompromiß“ und „8-Augen-Gespräche“/ Kritiker sauer: Unser Ausstiegsszenario war garnicht auf dem Koalitionstisch

Das Band zwischen Hamburgs Anti-Atom-Initiativen und der GAL scheint zerschnitten und auch innerhalb der Elb-Grünen gärt es gewaltig. Schuld daran: der Atom-“Kompromiß“ zwischen SPD und GAL. Nach der atomaren „Null-Lösung“ steht GAL-Verhandlungsführer Alexander Porschke unter Beschuß, die Parteilinken denken über den Auszug aus den Koalitionsverhandlungen nach. Sprengstoff genug für die heutige GAL-Mitgliederversammlung.

Blenden wir zurück: Am letzten Oktober-Mittwoch war es im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zu einem „Atomausstiegs-Kompromiß“ gekommen, der für Initiativen wie Robin Wood und das Gewaltfreie Aktionsbündnis „den Abschied der GAL als Anti-Atom-Partei besiegelt“. Nach der rot-grünen Vereinbarung soll lediglich geprüft werden, ob Brunsbüttel 1999 stillgelegt werden könnte; die Atommeiler Krümmel, Stade und Brokdorf bleiben unangetastet.

Denn will die HEW aus den drei Atommeilern raus, kann die Mitgesellschafterin Preußen Elektra (Preag) laut Gesellschaftsvertrag die HEW-Anteile übernehmen und die Reaktoren in Eigenregie betreiben. Da auch ein Aufkauf der nicht in Hamburgs Besitz befindlichen HEW-Aktien durch die Stadt daran nichts geändert hätte, war die Hauptforderung der GAL, die HEW fest in städtische Regie zu bringen, vom Koalitions-Tisch.

„Dieser Weg hätte uns keinen Schritt auf dem Ausstiegsweg weitergebracht“, erklärte Krista Sager den grünen Rückzug und Energie-Verhandlungsführer Alex Porschke schob die GAL-Schlappe darauf, daß den Grünen die Verträge zwischen der HEW und der Preag vor Verhandlungsbeginn nicht bekannt gewesen seien: „Wir sind am Herrschaftswissen gescheitert“.

Für einen GAL-Insider ist diese Behauptung „völliger Quatsch“: „Wir wußten vor den Verhandlungen, daß auch eine städtische HEW aufgrund der Verträge mit der Preag Krümmel und Brunsbüttel nicht einfach stillegen kann. Wir wollten deshalb mit einem ganz anderen Ausstiegsszenario in die Verhandlungen gehen, das mit den Anti-Atom-Initiativen abgesprochen war“. Die HEW sollte auf einen Anteilstausch mit der Preag hinarbeiten, diese dann die HEW-Anteile an Brokdorf und Stade erhalten, die HEW die Preag-Anteile an Brunsbüttel und Krümmel.

Um die Preag zu dieser „kostenneutralen Lösung“ zu motivieren, sollte die HEW verpflichtet werden, für Krümmel und Brunsbüttel bei der atomkritischen Kieler Aufsichtsbehörde höchste Sicherheitsstandards (Erdbeben- und Flugzeugsicherheit) beantragen, die den Betrieb der AKWs unwirtschaftlich gemacht hätte. Die Preag hätte gegen die HEW prozessieren und sich damit öffentlich – wenig imagefördernd – gegen hohe Sicherheitsstandards aussprechen müssen. Der Aufkauf der nicht der Stadt gehörenden HEW-Anteile wäre im Rahmen dieses Szenarios nur dann nötig geworden, wenn die Kleinaktionäre massiv gegen den Ausstiegskurs aufgemuckt hätten.

Doch dieses Szenario kam am Koalitionstisch garnicht zur Sprache. Eine Rathaus-Grüne: „Alex hat das nicht verkauft und unsere Position grob fahrlässig verkürzt“.

Nach der Atom-Schlappe sind deshalb nicht nur die mit der GAL bislang eng verbundenen Anti-Atom-Initiativen auf Distanz zu den Grünen gegangen, auch beim einflußreichen GAL-Minderheitenflügel ZAS (“Zwischen allen Stühlen“) denkt man inzwischen darüber nach, die Koalitionsverhandlungen für endgültig gescheitert zu erklären.

Die Parteilinken sehen „null Chance auf Grundlage der bisherigen Verhandlungsergebnisse mit der SPD zu koalieren“. Eine entscheidende Rolle neben dem „Atom-Flop“ spielt dabei, daß sich das Koalitionsgefeilsche von der Verhandlungsdelegation in Richtung „8-Augen-Gespräche“ verlagert hat. Ein GAL-Teilnehmer an den Koalitionsverhandlungen: „Diese Praxis widerspricht eklatant dem Auftrag unserer Mitgliederversammlung“. Marco Carini

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