: Mit „Hinz & Kunzt“ den Winter überstehen
■ Deutschlands erste Obdachlosen-Zeitung ist in Hamburg erschienen
Der Sticker, den Roland Michael Daniel an seiner Jeansweste trägt, sagt es unmißverständlich: „Ich weiß, was mir fehlte: Hinz & Kunzt“. Die bundesweit erste Obdachlosenzeitung erschien am Sonnabend in Hamburg mit einer Auflage von 30.000 Stück. Die Eröffnungsaktion in der City wurde ein voller Erfolg: 3744 Exemplare brachten 50 obdachlose Verkäufer unter die Passanten.
Die Idee für das „Hamburger Straßenmagazin“ hatte Pastor Stefan Reimers vom Diakonischen Werk. Auf seine Initiative fuhren vor gut einem Jahr zwei Redakteure nach London, um bei „Big Issue“, Englands großer Obdachlosenzeitung, zu lernen. „Als sie wieder da waren, stellten sie eine Kaffeemaschine in die Redaktionsräume, mehr taten sie nicht“, sagt Roland Michael Daniel, selbst obdachlos und seit sechs Wochen bei „Hinz & Kunzt“.
Erst als sich die Obdachlosen-Selbsthilfegruppe „Oase“ in das Projekt einmischte, wurde aus der Idee tatsächlich in nächtelanger Arbeit eine Zeitung. „Wir waren der Motor“, sagt Roland Michael Daniel stolz. Die erste Ausgabe des von nun an monatlich erscheinenden „Straßenmagazins“ ist bunt aufgemacht, läßt Wohnungslose zu Wort kommen, nimmt Stellung zum Hamburger Koalitionsgerangel und hat einen elfseitigen Terminteil.
Acht Obdachlose und zwei Profis arbeiten ehrenamtlich für die Zeitung. Nur wer das Blatt auf der Straße verkauft, verdient daran. Im Moment haben 40 Obdachlose einen Verkaufsausweis mit Lichtbild. Sie bekommen eine Mark für jede für 1,50 Mark verkaufte Zeitung. Während der Arbeit dürfen sie nicht betrunken sein und nicht betteln. Oberstes Gebot ist Höflichkeit. Schwierig dürfte für viele sein, die Zeitungen vorher selbst für 50 Pfennig das Stück zu kaufen.
Die bisherigen Kosten von rund 90.000 Mark trägt zur Hälfte die Kirche, der Rest kam durch Spenden zusammen. Sein Ziel formuliert Herausgeber Reimers so: „Ich wäre froh, wenn es gelingt, einige Dutzend Menschen in konstruktive Zusammenhänge einzubinden, die es ihnen ermöglichen, diesen Winter durchzustehen.“ tos
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen