: Bauernopfer in der Boomtown
■ Zehn Prozent aller Hamburger Landwirte stehen vor dem Ende / Nur Obst und Gemüse aus integriertem Anbau zahlt sich noch aus Von Vera Stadie
Den Landwirten in der Hansestadt geht es schlecht. Düstere Prognosen leiten den heutigen Hamburger Bauern- und Landfrauentag ein. Ein Zehntel der landwirtschaftlichen Betriebe müsse im kommenden Jahr aufgeben, schätzt Hans-Peter Pohl, Geschäftsführer der Hamburger Landwirtschaftskammer. Von 300 Hamburger Landwirtschaftsbetrieben, die überwiegend von Ackerbau und Viehzucht leben, würden in Zukunft jährlich 30 dicht machen. Besser sieht es bei den Obst- und Gemüsegärtnern aus: „Der stabilste Sektor ist der Obstbau“, sagt Pohl.
Für die „klassischen“ Landwirte, auf deren insgesamt 12.000 Hektar Ackerland vor allem Milchvieh weidet, sei „die wirtschaftliche Situation nicht rosig“. Landwirte hätten in Hamburg zu wenig Platz, um wettbewerbsfähig Milch zu produzieren, erklärt der Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer. So hält der Durchschnittsbetrieb hier auf 40 bis 50 Hektar Land 30 bis 40 Milchkühe. Heute könne ein Landwirt aber nur mit mindestens der anderthalbfachen Fläche und 60 bis 70 „Hochleistungskühen“ langfristig existieren, so Pohl. Die Vier- und Marschlande mit den handtuchschmalen Äckern würden die Landwirtschaft einengen: „Alle 15 Meter ein Graben“.
Zudem rückt die wachsende City den Bauern immer mehr auf den Leib. „Die Stadt boomt, will Platz für den Straßenbau und für Wohn- und Bauland“. Dazu käme noch der Naturschutz, der die Möglichkeiten der Landwirte beschränke, klagt Pohl. Mitschuldig am Hofsterben ist auch der Generationswechsel. Viele Bauern haben keinen Nachfolger.
Auch Karl-Heinz Borchert, Vorstandsmitglied im Hamburger Bauernverband, sieht schwarz. „In diesem Jahr müssen voraussichtlich fünf bis zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in der Hansestadt aufgeben“. Die EG-Agrarreform mit ihren Quoten und Subventionskürzungen käme für manche Bauern einem „Todesstoß“ gleich.
Der derzeitige Schweinepreis hingegen, der niedrigste seit Kriegsende, hat für die Hamburger Großstadtbauern nur in Einzelfällen Bedeutung, denn die 200 hiesigen Ackerbauer und Viehzüchter halten vorwiegend Milchkühe.
Die meisten der 2000 landwirtschaftlichen Betriebe in Hamburg bauen Gemüse, Zierpflanzen, Blumen und Obst an. Und die einheimischen Früchte schmecken offenbar einfach besser als manch fade Importware. Denn trotz großer Konkurrenz vor allem aus Holland können sich die Hamburger Blumen- und Gemüseproduzenten gut behaupten, so Borchert. Denn der Trend der Verbraucher gehe zu „aromastarken“ Gemüse- und Obstsorten: „Und da sind die Äpfel und Tomaten aus unserem integrierten Anbau sehr gefragt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen