■ Kommunalwahlen in Italien
: Italien hat eine neue politische Mitte

Man braucht ja nicht gleich in Katastrophengeschrei auszubrechen. Doch die Art und Weise, wie die italienischen Parteien mit den Ergebnissen der Kommunalwahlen umgehen, zeigt wieder einmal die nahezu unbeschränkte Fähigkeit der Politiker, den Realitäten nicht ins Auge zu schauen. Und das bezieht sich nicht nur auf die Hilflosigkeit, mit der alle Parteien, ausnahmslos, dem Triumphzug der Neofaschisten in Rom und Neapel gegenüberstehen.

Christdemokratenchef Martinazzoli reagiert auf den Totalverfall des Konsenses zu seiner Partei mit einem ruppigen „Das ist mir wurscht, ich warte auf die Parlamentswahlen nächstes Jahr“. Sozialisten, Sozialdemokraten, Republikaner, Liberale, Stimmanteile tendenziell gegen Null, fühlen sich gar als Mitgewinner, weil sie mitunter den siegreichen Kandidaten unterstützt haben. Am dümmsten präsentieren sich ausgerechnet die Wahlsieger vom Partito democratico della sinistra (PDS), der Mehrheitsgruppierung der alten Kommunistischen Partei.

So triumphiert PDS-Chef Occhetto mit Sprüchen wie „Das Zentrum ist tot, ein Vakuum, die Große Linke hat gewonnen“: Er versteht partout nicht, daß seine Partei mit ihren Alliierten nun genau jenes Zentrum ist. Und daß sie damit just jene Probleme erbt, die aus der Christdemokratie und ihren Alliierten – in den letzten zwei Jahrzehnten vor allem den Sozialisten – jenen nur auf Machterhalt, Ausbeutung des Staates und Klientelbefriedigung beruhenden Wahlverein gemacht haben: Vordem hatte die Christdemokratie Linkskatholiken und Antikommunisten, Mittelständler und Bauern, Mafiosi und deren Feinde an sich gebunden. Nun muß der PDS Gewerkschaften ebenso wie die mit ihm verbündeten industrienahen Republikaner befriedigen, hat in Rom einen grünen Bürgermeister ins Amt gehievt und muß gleichzeitig Manager hätscheln, die den PDS unterstützen und die doch ein ganz anderes Rom wollen als die Umweltschützer.

War es bislang der Antikommunismus, der das Zentrum von außen zusammengehalten hat, sind es jetzt die norditalienischen Ligen mit ihrer Drohung einer Auflösung des Nationalstaates, die aus vordem unvereinbaren politischen und sozialen Gruppen ein Amalgam machen. Dieses wird sich als Kopie der alten christdemokratischen Herrschaft erweisen – oder, wahrscheinlicher, regierungsunfähig zerfallen. Das, und nicht die aktuelle Drift zum nationalistischen MSI, die dem Geschrei gegen die Ligen geschuldet ist, könnte dem Faschismus in nächster Zukunft zum wirklichen Durchbruch verhelfen. Werner Raith, Rom