: Millionenjongleure
■ Prozeß: 28 Mio in den Sand spekuliert
Staatsanwalt Christian Baumgarte war fassungslos: „Sie haben über Börsengeschäfte geschult? Was haben Sie denn da erzählt?“ Der Angeklagte Eckhard F. verteidigte sich: „Ich habe gelehrt, wie man Börsengeschäfte verkauft. Ich hatte ein Video und habe das geschult, was meine Mitarbeiter mir erzählt haben.“ Was den Staatsanwalt so erstaunte: Kurz zuvor hatte F. in seiner Aussage vor der Großen Strafkammer des Landgerichts bewiesen, daß er vom Finanzgeschäft nicht viel versteht. Und trotzdem - oder deswegen - soll er 28 Mio. Mark in den Sand gesetzt haben.
Die Anklage, die F. nicht bestreitet, wirft den Finanzjongleuren vor, insgesamt 4.200 KundInnen um insgesamt 28 Millionen Mark geprellt zu haben: fortgesetzter Betrug und Verstoß gegen das Börsengesetz. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten (neben dem Geschäftsführer Eckhard F. noch die Mitarbeiter Hans- Jürgen H., Dagobert K. und der Rechtsanwalt und Treuhänder Wolfgang H. als Mittäter) folgendes vor: 1990 und 1991 sollen sie mit ihrer Firma „Inter Finanz Contract“ (IFC) für angeblich lukrative Spekulationsgeschäfte an den Warenterminmärkten der USA Geld gesammelt haben, insgesamt 28 Mio. Mark.
Die Werbung schlug vor allem in den neuen Bundesländern ein: Die KundInnen von dort vertrauten ihre gerade erst in Westmark umgerubelten Vermögen den Spekulanten an, im Vertrauen auf die Seriosität der Hochglanzbroschüren. „Es hat nie jemand nachgefragt, wie die Mittel verwendet wurden“, sagt F. Seine Firma nahm das Geld, setzte es in den USA in den Sand, stattete sich großzügig in einer Villa an der Holler Allee aus und benutzte das neu angelegte Geld, um alte Schulden zu bezahlen. Die Kunden bekamen gefälschte Kontoauszüge mit positiven Renditen.
Der Schwindel flog auf, als ein Geschäftspartner von IFC Einblick in die Bücher bekam. Von ihm stammt auch die Strafanzeige, nicht etwa von einem der 4.200 kleinen Anleger und Geschädigten. F. gilt für die Staatsanwaltschaft als Haupttäter, auch wenn er vor Gericht offen gesteht, daß er die Dinge nicht überblickte. Der gelernte Elektrohandwerker hatte nach seiner Kündigung bei der Post sein Geld in ein Reisebüro investiert und war damit baden gegangen. Die alten Schulden hoffte er, mit der IFC zurückzahlen zu können.
Am ersten Verhandlungstag gestern zeigte sich, daß die Millionenspekulation für Eckhard F. einige Nummern zu groß war: „Ich habe mich auf meine Mitarbeiter verlassen“. Das Gericht wird sich an weiteren elf Verhandlungstagen durch das Dickicht von Firmenverschachtelungen und internationalen Finanzmärkten beißen müssen.
bpo
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