: Weihnachten, das Fest der Düfte
■ Parfum ist nur bedingt ein gutes Geschenk / Beratung hat es gegen die Werbung oftmals schwer / Männer sind konservativer, nur sie soll modisch sein
Schon seit Wochen sind die Geschäfte wieder mit künstlichen Kerzchen und Gummi-Tannenbäumen geschmückt, aus sämtlichen Lautsprechern plärren Kinder die ewig gleichen Liedchen, und seit Schnee in Berlin liegt, ist es wirklich allen klar: Es weihnachtet. Lange kann es nicht mehr dauern, bis wieder Studenten in viel zu dicken roten Klamotten und falschen Bärten durch die Kaufhäuser transpirieren und sich als Weihnachtsmann ausgeben. Zeit für ihre kleinen Geschenke haben die wenigsten, denn die Kunden hetzen auf ihrer Jagd nach Geschenken und schwitzen in ihrer Winterkleidung umher; vielleicht sollten die Pseudo-Nikoläuse besser Deo- Stifte statt Lebkuchen verteilen.
Streß spricht aus den meisten Gesichtern, Freude scheint auch angesichts der Gerüche niemand zu empfinden. Und doch behauptet eine Parfümerie-Kette, mit ihr mache schenken Spaß. Jahr für Jahr boomen die Duft-Abteilungen der Kaufhäuser und die Fachgeschäfte im Dezember, denn die Gerüche aus den gestylten Glasflaschen sind stets Notlösung derer, denen nichts eingefallen ist. „Ein Parfum eignet sich als Zweit- oder Drittgeschenk, das noch hinzugekauft werden kann“, meint KaDeWe-Pressesprecherin Karin Tauer, daher sei das Weihnachtsgeschäft „wesentlich“. Parfum sei nach wie vor „das kleine persönliche Überraschungsgeschenk“.
Die Herznote eines Duftes zählt nur sehr kurz
„Einfach ein Parfum zu kaufen, weil der Flacon schön ist, das macht man einfach nicht.“ Typenberaterin Katrin Paul widerstrebt diese Art des Einkaufens zutiefst. „Das ist aber auch selten“, so die Geschäftsführerin von Berlin Cosmetics Unter den Linden. Die meisten Kunden würden erst schnuppern. Was des Käufers Nase dann riecht, besagt jedoch noch nicht viel über die Tauglichkeit des Geschenkes, warnt Katrin Paul.
Zunächst ist nämlich nur die Herznote zu bemerken, so der Fachausdruck für den Duft, den ein Parfum zuerst abgibt. Dieser müsse keineswegs dem anhaltenden Duft entsprechen, zumal dieser von Mensch zu Mensch unterschiedlich sei. Ein bißchen Geduld ist also nötig, um wenigstens auch die Kopfnote beurteilen zu können. Bei einer guten Beratung wird dazu das besprayte Tuch etwas hin- und hergewedelt, am Menschen entfaltet sich dieser zweite Geruch erst nach einer halben Stunde. Doch weder Herz noch Kopf sind entscheidend, was bleibt, ist die Basisnote, und mit dieser müssen sich die Konsumenten und ihre Umwelt einen ganzen langen Tag wohlfühlen. Anderenfalls werde das Geschenk schnell zur unangenehmen Überraschung.
„An einem warmen Tag wäre ein schweres Parfum unerträglich“, nennt Typenberaterin Paul ein Extrem. Jetzt, während der kalten Tage, entspräche schwerer Duft viel häufiger der persönlichen Stimmung. Frauen, zu denen solch ein besonders süßer oder würziger Duft sehr gut passe, hießen daher auch Wintertypen, erklärt sie. Während hellhäutige Frauen eher Sommer- oder Frühlingstypen seien, zu denen ein „leichtes und blumiges Parfum“ passe, sei der schwere Duft eher etwas für dunklere Typen.
„Ein Parfum ist zwar etwas sehr Individuelles“, bestätigt Karin Tauer, jedoch gehe die Tendenz dahin, mehrere Düfte zu haben und nach Tagesstimmung das eine oder andere zu benutzen. Auch ein neues Parfum eigne sich daher durchaus als Geschenk, das die Kunden schließlich auch verlangten. Das Hauptgeschäft beginne zu Nikolaus und ende erst kurz vor Geschäftsschluß zu Weihnachten.
„Gerade an den letzten Tagen vor Heilig Abend kommen doch noch mal viele, die sich ein Parfum als Geschenk einpacken lassen“, hat auch die junge Mitarbeiterin der Kosmetikabteilung bei Karstadt am Leopoldplatz beobachtet. Die Frage, welcher Duft denn gerade in Mode sei, spiele dabei eine große Rolle. „Manche Ehemänner können den Typ ihrer Frau nicht mal beschreiben“, wundert sie sich, „die wollen nicht einmal schnuppern, ob ihnen das Produkt überhaupt zusagt.“
Daß ein neuer Geruch in Mode komme, findet Beraterin Paul wenig bedenklich. Daß aber Männer ein solches Parfum für ihre Frauen kaufen, nur weil es in sei, das lehnt sie ab. Von ihren Frauen verlangten einige, daß sie unabhängig vom Typ mit der Mode gingen, kritisiert sie, „dabei benutzen viele Männer selbst seit zwanzig, dreißig Jahren den gleichen Duft“. Aufgeschlossen für etwas Neues seien wenige, „Männer sind da konservativer“. Und so verteilt auch der schwitzende Weihnachtsmann weiter Lebkuchen. Christian Arns
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