: Unbequeme Fragen
■ betr.: „Widerstand im Herzen der Marktwirtschaft“, taz vom 6.11.93
Wir vermißten in Eurem Bericht den Hinweis auf die vielen Gruppen Kritischer Aktionäre, die auf den HV von BASF, Bayer, Hoechst immer wieder fragen nach der – endlichen – Entschädigung der Fremdarbeiter und KZ-Sklaven, die diese Firmen als Farben- Nachfolger noch immer schulden. Und alle Kritischen Aktionärsgruppen fragen bei den Firmen, die in der Dritten Welt ihre Niederlassungen haben, nach den dortigen Arbeitsbedingungen, nach Arbeits- und Menschenrechten.
Auf allen Hauptversammlungen aber überraschen die Kritischen Aktionäre durch Bekanntmachen von Unstimmigkeiten in den Bilanzen, auf den Aktionären wie auch der Presse verschwiegenen Veränderungen in der Gesellschaftspitze hin. So hatten wir auch die taz darauf hingewiesen, daß im Vorstand der Berliner Kraft- und Licht (Bewag) AG der Herr Dr. Streich urplötzlich ausschied – ohne daß die Presse davon wußte, auch die Aktionäre nicht. Unsere Fragen gingen nach dem Grund dieses Ausscheidens sowie nach der vereinbarten Abfindungssumme – schließlich hatte der ausscheidende Dr. Streich ja einen Fünfjahresvertrag abgeschlossen. [...]
Wir hatten die taz darauf aufmerksam gemacht, daß für die Wahl des einen freiwerdenden Aufsichtsratspostens, der noch nicht durch bisherige Aufsichtsratsmitglieder wie Sen. Pieroth usw. besetzt war, von uns Frau Dipl.-Ing. Erika Romberg vorgeschlagen worden war (taz vom 18.10.93). [...] Gewählt wurde der bereits von der Seite der Anteilseigner bestimmte und von ihnen vorgeschlagene Chef einer Lebensmittelproduktionsfirma.
Ich möchte darauf hinweisen, daß der „Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre“ auf seiner Jahresmitgliederversammlung am 30. Oktober des Jahres beschloß, und zwar einstimmig, daß ab sofort auf den Hauptversammlungen von seiten unserer männlichen Mitglieder nach der Frauenbeauftragten der Aktiengesellschaft, der Frauenförderung im Betrieb, nach Betriebskindergärten und danach, wie viele Frauen im Aufsichtsrat und im Vorstand sind, gefragt wird – die Quotierungsfrage wird zur Diskussion gestellt.
Da in der Bewag auch diese Fragen aktuell sind und leider, trotz unserer bisher immer wieder erhobenen Forderungen lediglich Alibifrauen im Aufsichtsrat, aber keine Frau in den Vorstand gewählt wurde, werden wir am 13. Dezember auch das bemängeln, denn Dr. Streich wurde von einem Kollegen ersetzt. Wir sind der Meinung, daß es eine ganze Reihe fähiger, kluger und sachlicher Frauen gibt, die in der Wirtschaft und Industrie beweisen könnten, daß sie ihre Chance nutzen – wenn die Männer nur auf die Idee kämen, die Gleichberechtigung zu praktizieren. Diese Frage werden die Kritischen Aktionäre in Zukunft immer wieder stellen. Ruth Wenthur, Kritische
Bewag-Aktionärinnen und
Aktionäre, Berlin
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