: Zeugen können sich an nichts erinnern
■ Verfahren gegen zwei Olympiagegnerinnen eingestellt
Mit einer Schlappe für die Ermittlungsbehörden und einer Einstellung zu Lasten der Landeskasse endete gestern ein Prozeß gegen zwei Olympiagegnerinnen vor dem Amtsgericht Moabit.
Im Verlauf eines Fahrradkorsos während der Tagung des IOC hätten Claudia F. und Helga-Maria B., so die auf polizeiliche Ermittlungen zurückgehende Anklage, eine Polizeikette durchbrochen und sich ihrer Festnahme durch „Strampeln“ entziehen wollen.
Die gestrige Beweisaufnahme ergab dagegen ein ganz anderes Bild. Nachdem bereits der Großteil der Demonstranten, so Helga- Maria B., die Nürnberger Straße passiert hätte, hätte die Polizei an der Ecke zur Augsburger Straße versucht, die Fahrbahn abzusperren. Daraufhin sei sie vom Fahrrad gestiegen und hätte auf dem Gehweg versucht, an den Beamten vorbeizukommen. Nachdem die Polizei auch das unterbunden hatte und sie in einer anderen Richtung davonfahren wollte, hätte sie einer der Beamten vom Fahrrad gestoßen, worauf sie auf die Motorhaube eines langsam vorbeirollenden Autos gefallen sei.
Claudia F. berichtete, daß sie von den Beamten von hinten zu Boden gerissen worden sei und einer der Polizisten ihr Fahrrad auf sie geworfen habe. Ihrer Festnahme hätte sie sich genausowenig mit Gewalt entzogen wie B. Vielmehr hätte ihnen später eine Polizistin erzählt, daß der Polizeibeamte, der B. vom Fahrrad geschlagen hätte, als besonders rabiat gelte.
Einer der Polizeibeamten erklärte, die beiden Angeklagten seien bei ihrem Versuch, die Absperrung zu passieren, festgehalten und festgenommen worden, weil sie sich einer polizeilichen Maßnahme widersetzt und sich damit des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht hätten. Auf die Nachfrage des Staatsanwalts, ob sich die Angeklagten mit Gewalt gegen ihre Festnahme gewehrt hätten, antworteten die beiden als Zeugen vernommenen Polizeibeamten übereinstimmend, daran könnten sie sich nicht erinnern.
Der Staatsanwalt, der der Einstellung zu Lasten der Landeskasse einschließlich der Anwaltskosten der Angeklagten zustimmte, erklärte gegenüber der taz, daß Verfahren, bei denen Polizeibeamte selbst als Geschädigte auftreten, von deren Dienststelle bearbeitet würden. Er selbst habe den Vorgang erst vor kurzem auf den Tisch bekommen und wundere sich im übrigen, daß sich die Zeugen an nichts mehr hätten erinnern können.
Erst vor kurzem hatte ein anderer Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren gegen einen Olympiagegner eingestellt, bei dem die Polizei Material, das die Unschuld des Beschuldigten bewiesen hätte, nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hatte. wera
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