Bonn will Stasi-Informationen versiegeln

■ Stasi-Unterlagen-Gesetz soll verschärft werden / Politiker fürchten Enthüllungen

Berlin (taz) – Nach dem Willen der Bundesregierung soll der „Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ verbessert werden. Geplant ist, die Strafvorschriften im Stasi-Unterlagen-Gesetz zu verschärfen – das Verbot der unbefugten Veröffentlichung von Stasi- Informationen über Betroffene und sogenannte „Dritte“ soll durch ein Verbot der „Übermittlung“ solcher Daten ergänzt werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist im Bonner Innenministerium in Abstimmung mit dem Justizressort erarbeitet worden. Nachdem der Entwurf am vergangenen Mittwoch von der Tagesordnung des Innenausschusses abgesetzt wurde, soll er nun im Januar beraten und im Anschluß dem Bundestag zur Verabschiedung vorgelegt werden. Die Bonner Ministerialbürokratie verfolgt mit der Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vor allem eines: den Schutz von Politikern und hochrangigen Beamten vor weiteren unbequemen Stasi-Enthüllungen.

„Informationen über Betroffene und Dritte“ sind all die Aufzeichnungen der Staatssicherheit, die nicht über stasiinterne Vorgänge, sondern über Opfer und sonstige Personen gespeichert wurden: darunter Dossiers über mißliebige Personen, Protokolle abgehörter Telefonate und immer wieder Spitzelberichte.

Vier Millionen DDR-BürgerInnen sind von der Stasi erfaßt worden – die fleißigen Spitzel und Spione registrierten über die Jahre aber auch die Namen und Aktivitäten von rund zwei Millionen Personen aus der Altbundesrepublik. Vorrangig um letztere Aufzeichnungen geht es bei den aktuellen Bonner Plänen. Aufgeschreckt durch eine jüngst veröffentlichte Serie des Magazins Focus, in der über die breitangelegte Telefonüberwachung westdeutscher Politiker und Behördenvertreter berichtet wurde, dämmert manchem Politiker, daß noch manche publizistische Bombe aus dem Stasi- Nachlaß gefischt werden könnte.

Unbequeme Enthüllungen gab es in den knapp zwei Jahren seit Inkrafttreten des Stasi-Unterlagen- Gesetzes reichlich. Belegt wurde anhand der Stasi-Akten etwa die dubiose Strauß-Schalck-Connection, das Gebaren westdeutscher Politiker bei DDR-Besuchen wurde zu Tage gefördert – kompromittierende Details aus dem Privatleben westdeutscher Politiker wurden von Mielkes Männern besonders gerne gesammelt. Parteiübergreifend eint die Bonner daher der Wunsch, solche Informationen zurück- und vor allem aus den kommenden Wahlkämpfen herauszuhalten. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Gerd Wartenberg, bekannte offenherzig, eine striktere Handhabe der Stasi-Akten sei wegen der zu erwartenden „Schlammschlachten im Wahlkampf“ geboten.

Straftatbestand Weitergabe

Den Schutz der Bonner Politiker soll jetzt die Novellierung des Paragraphen 44 im Stasi-Unterlagen- Gesetz gewähren. Während bisher ausdrücklich nur die nicht autorisierte Veröffentlichung von „personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte“ mit einer Strafe von bis zu drei Jahren Haft bedroht ist, soll künftig allein schon die Weitergabe solcher Informationen aus dem Stasi-Bestand mit dem gleichen Strafmaß geahndet werden können. Zur Begründung heißt es in der von Staatssekretär Franz Kroppenstedt am 26.11. an den Innenausschuß übermittelten Stellungnahme: „Die Erweiterung des Tatbestandes ist zum wirksamen Schutz des Persönlichkeitsrechts Betroffener oder Dritter erforderlich, da die geltende Fassung des §44 Stasi-Unterlagen-Gesetz leicht umgangen werden konnte, wenn bei der Veröffentlichung auf wörtliche Zitate aus Unterlagen im Ganzen oder teilweise verzichtet wurde. Das Persönlichkeitsrecht ist jedoch auch in den Fällen erheblich verletzt, in denen personenbezogene Daten aus Unterlagen – ohne eine wörtliche Zitierung – mitgeteilt oder veröffentlicht werden.“

Schon einmal, im Gesetzgebungsverfahren im Herbst 1991, hatten die Bonner Politiker versucht, unbequemen Enthüllungen einen Riegel vorzuschieben. Die damalige Absicht, eine Veröffentlichung von Informationen aus Stasi-Unterlagen an die Erlaubnis der Gauck-Behörde oder die des Innenministeriums zu koppeln, war aber am breiten Protest der Journalisten- und Verlegerverbände gescheitert.

Die Bundestagsgruppe Bündnis90/Grüne will nun mit einem Änderungsantrag den Gesetzentwurf aus dem Hause Kanther entschärfen. Weil die Übermittlung von Stasi-Informationen an eine Zeitung oder einen Sender in aller Regel nicht nachzuweisen sein dürfte, urteilen deren Rechtsexperten: „Der Versuch, die unbefugte Übermittlung strafrechtlich durchsetzen zu wollen, erscheint sinnlos.“ Betroffenen oder Dritten würde eine mögliche Übermittlung ohnehin erst bekannt, wenn sie durch eine Veröffentlichung davon erfahren würden. Und in diesem Fall ließe sich mit der bestehenden Regelung strafrechtlich dagegen vorgehen. Bei allem Verständnis für die schutzwürdigen Belange Betroffener und Dritter, für die die Alternativen immer eingetreten sind: Den Mantel des Vebergens wollen sie den Politikern nicht zugestehen. Analog zu den Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes schwebt ihnen eine Regelung vor, wonach ein Veröffentlichungsverbot dann nicht greift, wenn es sich um „personenbezogene Informationen über Personen der Zeitgeschichte in Ausübung ihres Amtes“ handelt. Genau dieses soll der Gesetzentwurf des Innenministeriums verhindern. Wolfgang Gast