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Regierung hält Treuhand-Akten geheim

■ Treuhandausschuß behindert / Pöhl räumt Fehler ein

Bonn (taz) – Die Bundesregierung will alle Unterlagen aus der Treuhand als geheim einstufen. Obwohl die Mitglieder des Treuhanduntersuchungsausschusses Tausende von Akten angefordert haben, sind erst 38 in Bonn eingetroffen. „Das hat es bisher noch in keinem Untersuchungsausschuß gegeben“, sagte der Vorsitzende Otto Schily (SPD) gestern.

Ein Protestbrief ans verantwortliche Finanzministerium ist unterwegs, in dem eine differenzierte Einstufung der Dokumente gefordert wird. Die Treuhand hat sich hingegen offenbar bereits darauf eingestellt, den ParlamentarierInnen Berge von Unterlagen zur Verfügung stellen zu müssen: Jedenfalls wurde ein Riesenkopierer mit einer Kapazität von 80.000 Blatt pro Tag angeschafft.

Aber auch bei seinen Ausschußkollegen aus CDU/CSU und FDP sieht Schily ein „restriktives Engagement“ der Koalition. Die Abgeordneten aus der Regierungsparteien seien nicht bereit, zusätzlich zu den verbleibenden 14 Sitzungen weitere Termine zu verabreden. „Es wird alles getan, damit dieser Untersuchungsausschuß nicht richtig zur Arbeit kommt“, urteilt Sozialdemokrat Hinrich Kuessner.

Aber auch die Treuhand, die im Ausschuß als Beauftragte der Bundesregierung Auftritt, mauert. Norman van Scherpenberg, der Generalbevollmächtigte von Birgit Breuel, hat mitgeteilt, daß Mitarbeiter seiner Behörde keine Auskunft über interne Entscheidungsabläufe des Verwaltungsrats geben dürften.

Ab Januar sollen einzelne Privatisierungsfälle auf der Tagesordnung stehen. In den bisherigen Sitzungen wurde vor allem die Entstehungsbedingungen und die Arbeitsweise der Anstalt thematisiert. Gestern sollte Ex-Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl Rede und Antwort stehen. „Auch eine robustere Wirtschaft als die der DDR hätte eine so schnelle Währungsumstellung nicht verkraftet“, urteilte er noch einmal über die Währungsunion, die er schon im Frühjahr 1990 kritisiert hatte. Es sei eine rein politische Entscheidung gewesen, die den Handlungsspielraum der Treuhand extrem eingeschränkt habe. Denn schon vor dem 1. Juli 1990 sei absehbar gewesen, daß die Betriebe sofort Kredite für Löhne und Materialbeschaffung brauchen würden – hier mußte die Privatisierungsbehörde mit Milliarden einspringen, wenn sie einen Kollaps ihrer Firmen verhindern wollte. Selbstkritisch gab sich Pöhl gegenüber seiner einstigen Ablehnung von Lohnsubventionen, die die Kosten der Treuhandbetriebe verringert und damit den Weltmarktschock abgedämpft hätten. „Wir haben das aus Prinzip abgelehnt und insgesamt die Einkommensseite zu wenig bedacht.“ Zinszuschüsse und andere Finanzspritzen für Investoren erscheinen ihm hingegen im nachhinein als zu kostspielig und für den Arbeitsmarkt uneffektiv. Ein weiterer Fehler, den die Bundesbank mitzuverantworten habe, sei die Belastung der DDR-Betriebe mit Altschulden gewesen. Das enorme Tempo habe zu großen Fehlern geführt. Sein Gesamturteil: „Wenn ich sagen müßte, ob die Wirtschaftspolitik der Regierung gut war oder nicht, würde ich eher mit nein antworten.“ Annette Jensen

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