Hart wie Krupps-Musik

Ein Überlebenskonzept für die Neue Deutsche Welle: Schweißbedeckte Rockmusik für ein breitgefächertes Publikum / Die Krupps präsentierten ihr neues Image am Donnerstag im Loft. Ein nicht allzu begeisterter Bericht  ■ Von Claudia Wahjudi

Der Kruppsche Bassist reiste zu seinem Konzert mit der U-Bahn an: Dachdeckerschuhe und Zimmermannshose wiesen ihn schon von weitem als einen Rheinländer aus, der fest in der Tradition der frühen Achtziger steht. Seine Tracht trug Rüdiger Esch auch noch auf der Bühne des Loft, obwohl die Mannen der Vorband Testify bereits ein fortgeschrittenes Zeitalter weit nach EBM proklamiert hatten, mit bösen Liedern über „Killer“, „A.N.G.E.R.“ und anderen furchterregenden Dingen.

Die „Metall Maschinen Musik“ aber, die Krupps dann intonierte, harmonierte mit Eschs gestriger Kleidung. Überlebt aus den Tagen der Neuen Deutschen Welle haben jene Oktav- und Quintintervalle, mit denen das Keyboard damals den Rhythmus vorgegeben hatte, sowie die schrägen Pitches der synthetischen Klänge: bei Krupps genüßlich moduliert von Ex-Propagandist Ralf Dörper. Der ward namentlich begrüßt von einem Publikum, das zwar in nahezu einheitlichem Schwarz erschienen war, aber die unterschiedlichsten Kopfbedeckungen aufwies. Neben straff rasierten Schläfen zeugten Strickmützen, Kapuzen und Baseballcaps sowie Samthüte vom Flohmarkt von den verschiedenen Szenen, welche die neuen Krupps um sich zu versammeln wissen.

Dazu freilich hatte es eines Kunstgriffs bedurft. Allein der Name des Bandvorstands Jürgen Engler oder die Erinnerungen an die goldenen Tage der Wellenreiter, deren volltönende „Stahlwerksinfonie“ Gruppen wie Nitzer Ebb und Front242 beeindruckt hatten, würden weder ein neues Publikum anziehen noch die Aufmerksamkeit einer nichtnostalgischen Musikpresse wecken.

Ihr Comeback hatten Die Krupps darum 1991 zunächst mit einer Dokumentation der zehnjährigen Krupps-Geschichte eingeläutet: Stücke wie „Wahre Arbeit, wahrer Lohn“ oder das „Germaniac“ hatten das Klischee vom metallverarbeitenden Wirtschaftswunder Deutschland parodieren sollen, wurden aber auch gern für bare Münze genommen. Nach dieser Manifestation nahmen Die Krupps dann Anlauf zu „A Tribute to Metallica“ (1992), ihrem Sprung in die internationale Gitarrenmusik, stählern abgefedert von den überlieferten elektronischen Grundmustern. Während Zeitgenossen von Krupps ihr Überleben wie Fehlfarben vergeblich in simplen Variationen alter Takte, wie Der Plan im Kunst-Kontext oder die Toten Hosen erfolgreich in Breitenwirkung suchten, konvertierten Die Krupps zu schweißbedeckten Rockmusikern. Das neue Image polieren seit jüngstem die beiden Amerikaner Lee Altus und Darren Minter, wirkungsvoll plaziert an der Rock-Basis, an Trommeln und Gitarre.

Lee Altus oblag es auch, den „Anti-Nazi-Song“ „Fatherland“ anzusagen, mit dem Engler fragt, ob die Brand- und Mordanschläge auf Ausländer das Land noch als „Vaterland“ erkennen ließen. Auch darüber hinaus flammt und übelt es reichlich auf „The Final Option“, dem letzten Doppelalbum, das Die Krupps im Loft neben dem sirenenheulenden „Germaniac“ und Ausschnitten aus der Metallica-Hommage vorstellten. Der Stimmungsmacher „Crossfire“ handelte von einem unendlichen Krieg, „To The Hilt“, der Alptraum eines Fremden im eigenen (brennenden) Land, bot Anlaß für einen flüchtigen Pogo, und alle Gewalt gipfelte in „Language of Reality“, einem Stück, das die Übel nur noch alphabetisch aneinanderzureihen weiß, von anger bis zu terror und vanity.

Engler hielt das Panoptikum des Bösen lässig durch. Ganz in Schwarz und mit einem grimmigen Kinnbart trat er auf, in Jogginghose und einer Tourenweste, welche die Sicht auf seine Armmuskeln freigab. Mit großen Schritten aus der Hüfte durchmaß er stetig die Bühne, um auf dem Monitor das Mikrofon gen Decke zu richten. Ein Mann, ein Pathos! Jede seiner heftigeren Bewegungen aber ließ einen Hauch von gepflegtem Deodorant in die erste Reihe wehen – war er doch der alte geblieben? „Jürgen Engler gibt 'ne Party, und wir kommen nicht rein“, hatten die Toten Hosen einst die gern vermeldete Arroganz des Düsseldorfer Beaus kommentiert. Als finsterer Schnösel gibt sich Engler immer noch, zumindest auf der Bühne. Denn Die Krupps präsentieren vor allem eins: Ein weiteres Überlebenskonzept der Neuen Welle – deutsche Wertarbeit in Metall, inklusive der Nutzung aller schreckensvollen Konnotationen. Das hat Qualität, das hat Tradition, aber besonders aufregend ist es nicht.

Tourdaten: 13.12., Göttingen, Outpost; 15.12., Wuppertal, Börse; 16.12., Arnsberg, Kult; 17.12., Leipzig, Anker.