Die Viertagewoche wird vorsichtig beäugt

■ VW-Modell ist für Metall- und Elektrobranche nur bedingt übertragbar / Auf tariflicher Ebene ausgeschlossen / Tarifverhandlungen beginnen am 15. Dezember

Ist die jüngst bei VW beschlossene Viertagewoche ein Weg, Arbeitsplätze in den Industrieunternehmen der Stadt zu sichern? Vor den am 15. Dezember beginnenden Tarifverhandlungen für die rund 91.000 Beschäftigten in der stark angeschlagenen Westberliner Metall- und Elektrobranche wird das Modell sowohl von der IG Metall als auch von den Arbeitgebern zurückhaltend beurteilt. „In einigen Bereichen und in abgewandelter Form könnte es zur Lösung der Probleme beitragen“, so Manfred Foede, 1. Bevollmächtigter der IG-Metall-Verwaltungsstelle gegenüber der taz.

Auf tariflicher Ebene schloß Foede das Modell jedoch aus. Die Besonderheiten bei VW mit ihren überdurchschnittlichen Löhnen sei nicht ohne weiteres auf die Berliner Branche übertragbar. Gerade den vielen Beschäftigten mit niedrigen Einkommen sei eine Vier- Tage-Woche, die faktisch auf einen Lohnverzicht hinauslaufe, nicht zuzumuten. Statt dessen verlangte Foede einen „ganzen Strauß von Angeboten“ für die Westberliner Betriebe, um den Arbeitsplatzabbau zu stoppen. Dazu gehöre unter anderem das verstärkte Angebot von Teilzeitarbeit auf freiwilliger Basis – allerdings unter Fortzahlung der Sozialversicherung in voller Höhe. Generell abgeschafft werden soll nach den Vorstellungen der IG Metall die bezahlte Mehrarbeit. Noch immer dürfen 13 Prozent der Belegschaft in der Metall- und Elektrobranche 40 Stunden in der Woche arbeiten. Von dieser Tarifregelung machten die Arbeitgeber in Berlin derzeit „regen Gebrauch“, so Foede weiter: „Wir brauchen die 36-Stunden-Woche für alle“.

Ebenso vorsichtig wie die Gewerkschaft äußerte sich auch der Verband der Metall und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (VME) zur Viertagewoche. „Wir sagen nicht grundsätzlich nein“, erklärte VME-Sprecher Urs Buhlmann. Dies müsse jedoch zur Kostenentlastung der Unternehmen beitragen. Ein voller Lohnausgleich bei geringerer Arbeitszeit sei „nicht drin“. Als „unaktzeptabel“ stufte Buhlmann den Vorschlag der Gewerkschaft ein, den Arbeitnehmern ein individuelles Mitspracherecht bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit einzuräumen. „Es kann nicht in das Benehmen des einzelnen gestellt werden, ob er nun vier oder fünf Tage arbeiten will“, so Buhlmann zur taz.

Der VME-Sprecher räumte allerdings ein, daß die Diskussion um die Viertagewoche im Verband kaum eine Rolle gespielt hat. Insbesondere von kleinen und mittelständischen Unternehmen seien bislang keine Anfragen eingegangen, flexiblere Arbeitszeitmodelle zu erarbeiten. Severin Weiland