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„Du bist asozial und doof“

■ „Talk to me“-Moderator A.C. darf nicht mehr pöbeln / Doch OK-Radio strickt schon an einem neuen Konzept   Von Ruth Hoffmann

Nun ist es vorbei mit dem lockeren Geplaudere „sehr, sehr knapp oberhalb der Gürtellinie“: OK-Radio feuerte Andreas Clausen, der - alias „A.C.“ - allwöchentlich die Sendung „Talk to me“ moderierte.

Zum letzten Mal ging sie am Sonntag über den Äther und brachte, laut Programmdirektion, „das Faß zum Überlaufen“. Zum Inhalt des betriebsinternen Eklats wollte sich Programmdirektor Herbert Schalthoff nicht äußern. Clausen habe sich „bewußt und provokant gegen eindeutige Anweisungen gestellt“. „Wer den Kraftakt will, der soll ihn haben!“

Nun hat er ihn, und die Programmleitung wird diese Gelegenheit vermutlich nicht allzusehr bedauern, denn seit die Nighttalk-Sendung vor einem Jahr zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, sorgte sie regelmäßig für skandalträchtige Schlagzeilen.

Das Konzept des selbsternannten „Dr. Markus der 90er Jahre“ war simpel: Jeder kommt zu Wort, der seine Ansichten für dringend verbreitungsbedürftig hält oder einfach Dampf ablassen will, und Clausen kommentiert. Seine Einschätzung der Dinge manifestierte sich zumeist in Sprüchen wie „du bist asozial und doof“ oder „du Versager, ich kick dich jetzt aus der Sendung!“ Auch bei seinen Ratschlägen standen ihm keine nennenswerten Skrupel im Weg: Der Forderung eines 14jährigen nach Erschießung des Roma-Vertreters Rudko Kawczynski begegnete der Menschenfreund mit: „Todesstrafe ist irgendwie out heutzutage“, und einem Mädchen mit Liebeskummer empfahl er den Selbstmord.

„Wenn Leute richtig den Haß auf mich in der Stimme haben, dann ist das doch prima!“ verriet er dem „Spiegel“. Die 20.000 Hörer, die jeden Sonntag ab 20 Uhr mit Schadenfreude und voyeuristischem Gruseln die zweistündige Show verfolgten, müssen das ähnlich gesehen haben. Nachdem im Oktober Talkgast Peter Ehrlich vom Offenen Kanal 45 Minuten lang seine sexistischen Ansichten zum besten gab, verhängte Programmchef Schalthoff eine „Denkpause“. Doch die Proteste aus der Fangemeinde des Pöbel-Radios waren so vehement, daß er sich gezwungen sah, weiter zu senden.

Nun ist also endgültig Schluß. Doch ganz mag man sich bei OK-Radio von der Iddee nicht trennen. Mit neuem Moderator und neuem Konzept will die Programmdirektion im Januar eine ähnliche Sendung auf die Beine stellen. Einen „anderen Anspruch“ soll sie haben, verspricht Herbert Schalthoff. Trotzdem soll es eine Sendung bleiben, „wo man wirklich mal zur Sache gehen kann“.

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