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Sammeln nach dem Auftritt

■ Das Ensemble der Schaubühne sammelt seit September Spenden für Theater in Sarajevo / Dort wird mitten im Kriegsgeschehen noch auf fünf Bühnen gespielt

Wenn in der Schaubühne am Lehniner Platz der Vorhang fällt, hat ein Mitglied des Ensembles noch einen Auftritt vor sich: Während das Publikum applaudiert und sich auf den Gang nach Hause vorbereitet, tritt ein Schauspieler noch einmal vor die Theaterbesucher und bittet mit einer kurzen Rede um eine Spende – nicht etwa für die leeren Kassen der Berliner Theater, sondern für die Kollegen und Kolleginnen, die in Sarajevo um das Überleben kämpfen.

Seit September unterstützen die Mitarbeiter der Schaubühne so Theater im umkämpften Sarajevo. Die Schauspieler selber postieren sich auch nach der Vorstellung im Foyer und sammeln. Um die Notwendigkeit der Aktion zu unterstreichen, arbeitet außerdem eine Dramaturgieassistentin seit September an der ständigen Aktualisierung einer Gedenktafel für die Opfer des Krieges im Foyer der Schaubühne. Mit Fotos und Zeitungsartikeln wird die Lage im Kriegsgebiet dort dokumentiert.

Die Resonanz der Theaterbesucher ist positiv: Fast 40.000 Mark sind in den vergangenen drei Monaten zusammengekommen und konnten bereits über private Kontakte nach Sarajevo weitergeleitet werden. Dort wird es nicht nur an Schauspieler, sondern an alle Theatermitarbeiter verteilt. Pro 10.000 gesammelten Mark in Berlin entfallen in Sarajevo auf jeden Mitarbeiter 75 Mark.

Auf fünf Bühnen wird dort mitten im Kriegsgeschehen noch gespielt – unter anderem auch auf der Bühne eines Kindertheaters. Die Auftrittszeiten wurden wegen der Polizeistunde und der Angst der Menschen, im Dunkeln auf die Straße zu gehen, auf die Mittagszeit verlegt. Die Vorstellungen sind angesichts der desolaten finanziellen Lage der Bevölkerung umsonst. Doch auch den Theatern fehlt Geld an allen Ecken und Enden. Gespielt wird ohnehin schon bei Kerzenlicht – doch auch eine Kerze kostet pro Stück 2,50 Mark. Anschaffungen für die einzelnen Theater können auch mit dem aus Berlin gespendeten Geld nicht gemacht werden. Im wesentlichen wird es in Lebensmittel investiert. Auch für Schauspieler und Dramaturgen geht es um das schlichte Überleben. „Es klingt vielleicht komisch zu hören, daß zwischen den Granaten noch Theater gespielt wird“, erzählt Marusa Krese, Dichterin und Journalistin aus Slowenien und eine der Initiatorinnen der Aktion. „Aber für die Menschen ist es ungeheuer wichtig. Wenn du weißt, daß du heute noch ins Theater gehst, ist es leichter, hungrig zu sein.“ Und nicht nur das. „Die Leute haben das Gefühl, daß, solange noch Theater gespielt wird, die Stadt noch steht.“

Auf den fünf Bühnen in Sarajevo spielen die Schauspieler inzwischen in unterschiedlichen Konstellationen. Wegen der desolaten Situation sind bei den meisten Vorstellungen Mitglieder von allen fünf Theatern beteiligt. Während des Sommerhalbjahres konnten immerhin acht Premieren gefeiert werden – von griechischen Tragödien bis zum Musical „Hair“.

Die Mitarbeiter der Berliner Schaubühne denken angesichts ihres Erfolges nicht daran, ihre Aktion abzubrechen. Auf Kassetten bedanken sich ihre Kollegen in Sarajevo bisher für die Unterstützung. Aber vielleicht, so hofft jedenfalls die für die Gedenktafel zuständige Dramaturgieassistentin, könne eines Tages auch ein persönlicher Kontakt der Ensembles zustande kommen. Innerhalb Berlins jedenfalls zieht die Initiative bereits Kreise. So hat ein Lehrer die Aktion nach einem Besuch einer Vorstellung in der Schaubühne in seine Schule weitergetragen. Jetzt sammeln auch seine Schüler. Jeannette Goddar

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