: Schirinowskis Kampf für ein „weißes Europa“
Rußlands Wahlsieger redet in rechtsextremen Blättern vom völkischen Schulterschluß ■ Von B. Siegler und A. Maegerle
„Ein Deutschland, in dem Neger, Araber und Türken über das Schicksal Deutschlands entscheiden dürfen, ist kein europäisches Land mehr.“ Wladimir Schirinowski, Chef der bei den russischen Parlamentswahlen siegreichen „Liberal-Demokratischen Partei Rußlands“ (LDPR), nimmt in deutschen rechtsextremen Publikationen kein Blatt vor den Mund. Er gibt nicht nur der National-Zeitung von DVU-Chef Gerhard Frey Interviews. Schon im Sommer letzten Jahres stand er der rechtsextremen Publikation Nation + Europa (NE) Rede und Antwort und sprach sich für eine deutsch-russische Allianz zur „Verteidigung des weißen Europas“ aus.
Während Schirinowski in dem vorgestern erschienenen Interview der National-Zeitung bereits den Staatsmann herauskehrt und sich zum Mehrparteiensystem bekennt, war er im Gespräch mit Nation + Europa davon noch überzeugt, daß „Rußland nur durch die Diktatur gerettet werden kann“. Gesprächspartner Schirinowskis war Wolfgang Strauß, Redaktionsmitglied der NE, der in der rechten Szene als Osteuropa-Experte gilt. Als solcher referierte er auch beim Studienzentrum Weikersheim und publizierte einträchtig neben Unionsparlamentariern in den Weikersheimer Blättern. Mit der NE hat sich Schirinowski das wohl bedeutendste ideenpolitische Organ des bundesdeutschen Rechtsextremismus als Forum für seine rassistischen Tiraden und großrussischen Träume auserkoren. Herausgegeben wird die in Coburg erscheinende Zeitschrift von dem Europaparlamentarier und Vorstandsmitglied der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“, Harald Neubauer, vom Ex-NPD-Aktivisten Dehoust und dem ehemaligen NPD-Chef Thadden.
Wolfgang Strauß hatte Schirinowski Anfang Juni letzten Jahres in Moskau getroffen und war von dem „mitreißenden Redner“, der das „deutsche Volk verehrt“, begeistert. Die „Sendung der Russen“, daran läßt der LDPR-Chef in dem Interview keinen Zweifel, bestehe in der „Verteidigung des weißen Europas“. Dieses sei gleich mehrfach in „tödlicher Gefahr“: „Der Islam steht nicht erst vor den Toren, er marschiert bereits durch die Städte Europas, er überrollt das christliche Europa.“ Die Hauptrolle in dem „Abwehrkampf“ komme dabei den Russen und Deutschen zu: „Die Festung ,weißes Europa‘ steht oder fällt mit unseren beiden Völkern.“
Um die Deutschen ist es nach Schirinowskis Ansicht aber schlecht bestellt. Er konstatiert eine „offensichtliche Schwäche des deutschen Nationalgefühls und Selbsterhaltungswillens“ und sieht die Hauptgefahr für Deutschland in der „Türkisierung“. „Ethnische und kulturelle Assimilierung führt zur Zerstörung des deutschen Geistes.“ Deutschland drohe die „Auslöschung der nationalen Identität und Staatlichkeit durch Überfremdung.“ Gerade da sei Rußland gefordert. Ein Sieg des russischen Nationalismus werde die „Wiedergeburt Deutschlands fördern“, prophezeit Schirinowski. Ein starkes Rußland bedeutet für Schirinowski mindestens ein Rußland in den Grenzen des zaristischen Reiches von 1917. Polen würde er am liebsten aus der Landkarte ausradieren. Seinem Interviewpartner Strauß gegenüber befürwortet er folgerichtig eine „gemeinsame deutsch-russische Grenze“. Gegenüber der National- Zeitung formulierte Schirinowski jetzt wieder vorsichtiger. „Die sogenannte Oder-Neiße-Linie ist nicht das letzte Wort der Geschichte.“ Auch „das Königsberger Gebiet darf kein Zankapfel zwischen Deutschland und Rußland sein. Wir werden eine Formel finden, die Deutschland voll zufriedenstellt“.
Da auch der DVU-Vorsitzende Gerhard Frey zum „Schulterschluß der beiden größten Völker des Abendlandes, der Russen und der Deutschen“ aufruft, um sich gegen „die asiatische Gefahr“ zu erwehren, ist es kein Zufall, daß er den LDPR-Chef für DVU-Kundgebungen in München und Passau als Redner gewann. Bei der letzten DVU-Großkundgebung am 2. Oktober in Passau trat der LDPR- Chef als Hauptredner auf. Sein Thema: „Deutsche und Russen – Freunde für immer“.
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