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Was Technofans zu Waschkesseln treibt

Auch lebendige Kultur gibt's in Potsdam. Zum Beispiel im „Waschhaus“ in der Schiffbauergasse  ■ Von Sabrina Goldemann

Man kann es leider nicht schönfärben: Potsdams Ruf als Kulturstadt begründet sich hauptsächlich aus der Historie. Das kulturelle Angebot in der brandenburgischen Landeshauptstadt ist begrenzt, Berliner fühlen sich nur selten angezogen. Auch die zahlreichen Veranstaltungen im Rahmen der Pots1000-Feier haben daran grundlegend nichts ändern können. Eine unkonventionelle Kulturinitiative hat sich in diesem Jahr allerdings (durch Gemeinschaftsproduktionen mit den Potsdamer Festspielen wie sommernächtliche Filmvorführungen) ins breitere öffentliche Bewußtsein gebracht: das „Waschhaus“.

Vor eineinhalb Jahren ist diese Kulturoase ins Leben gerufen worden. „Wir wollten im tristen Stadtangebot eine klaffende Lücke füllen“, erzählt Ingo Bröcker. Der „Musikfreak“ ist einer von drei Vorsitzenden des eingetragenen Vereins. Zehn Angestellte sind täglich damit beschäftigt, aus dem einst schon fast verfallenen Gewerbegrund eine „begehbare Luxusruine“ zu machen. Ingo gehört zu den „Machern der ersten Stunde“. In Potsdam, sagt er, „leben viele aktive Künstler und Leute, die etwas machen wollen“. Gleichgesinnte zu finden war nicht schwer. Im Juli letzten Jahres startete der ehemalige Angestellte beim Sozialamt mit dem jetzigen Haustechniker, Thomas Hofer, und dem Ex-DJ aus der Berliner Discothek „Tresor“, René Löwe, mit einer „Techno-Party“. Ort der Eröffnungsveranstaltung war eine alte Wäscherei in der Schiffbauergasse, nahe der Glienicker Brücke.

Auf die Räumlichkeiten hatte allerdings bereits das Kunsthaus Gahlberg und Strohoehn ein Auge geworfen. Schon vor der Wende waren diese Interessenten eine renommierte Adresse für Kunstliebhaber. Die Etablierten bekamen den Vertrag mit der Stadt, die Unkonventionellen hatten das Nachsehen. Immerhin dürfen sie einen Teil des Gebäudes nutzen. „Heute ergänzen sich beide Vereine hervorragend“, meint Ingo. Das Besondere am Waschhaus-Team ist die erfolgreiche Verknüpfung von subventionsabhängigem Management und subkultureller Vereinsphilosophie. Das Angebot in den Bereichen Kunst, Musik, Tanz und Film ist breitgefächert, aber nicht populistisch: „Verlorene Waschtage“ hieß beispielsweise eine „Trommelperformance ohne Ende“, die im Dezember mehrfach stattfand. Untertitel: „Der Übergang von der Wirklichkeit in die Illusion“.

Die meterhohen Backsteinmauern in den dunklen Räumen und die Relikte vergangener Waschzeiten wie alte, riesige Kessel und meterlange Rohre machen den Aufenthalt in diesem Gebäude ja schon ohne jegliche Veranstalung zu einem kulturellen Ereignis. Und wenn man in der „Vereins-Kneipe“ auf einer der Holzbänke sitzt, die durch eine Art uralter Krankenhausbett-Gitter voneinander getrennt sind, dann fühlt man sich wie aus der Zeit gefallen. Im angrenzenden „Office“ bieten die Veranstalter neben Tanzkursen auch „Karate für Kids“ an. Der spürbaren Kälte ist gegenwärtig nur mit einem wackligen Heizsystem entgegenzutreten.

Das Angebot des Waschhauses muß mit dem Konkurrenzveranstalter „Lindenpark“ Schritt halten. Doch schon längst kommen Besucher aus dem ganzen Bundesgebiet extra nach Potsdam, um in der über 140 Jahre alten Ruine eine Technoparty zu erleben oder auf der kleinen Bühne die Show von Marc Almond zu sehen. Die relativ große Open-air-Fläche der Schiffbauergasse 1 für 5.000 Besucher „kann glatt mit der Waldbühne konkurrieren“, sagt Ingo stolz.

Auf diese Fläche muß das Waschhaus leider in absehbarer Zeit verzichten. Das Hans Otto Theater wird hier sein Stammhaus errichten. Aber bis die Bauarbeiten beginnen, kann das Terrain noch uneingeschränkt genutzt werden. Gerade eben haben die Waschhäusler eine fünfjährige Verlängerung ihres Nutzungsrechtes erlangt. Die Finanzierung (1993 wurden etwa eineinhalb Millionen Mark ausgegeben) ist leider noch lange nicht gesichert. Trotz der „guten Kontakte zum brandenburgischen Kulturminister“ ist das Waschhaus Opfer bundesdeutscher Sparmaßnahmen. Bisher haben der Potsdamer Magistrat, das Land und auch der Bund mit sogenannten „Infrastrukturmitteln“ kräftig geholfen. Für 1994 muß auf die Bundesmittel jedoch gänzlich verzichtet werden.

In den nächsten Tagen steht außerdem eine unerfreuliche Versammlung an. Es muß über die eventuelle Kündigung von Angestellten beraten werden, deren Verträge Ende des Jahres ablaufen. „Der Kampf um den Erhalt des Waschhauses war erfolgreich, jetzt beginnt der Kampf ums Überleben.“

Waschhaus Potsdam, Schiffbauergasse 1, 14487 Potsdam, Fahrverbindungen: S-Bhf. Potsdam Stadt, Bus 694, Tel.: 0331-2800869

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