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Dürfen Omas Kinder kriegen?

Frankreichs Senat berät über Gesetze zur Regulierung der Gentechnologie bei der Schwangerschaft / Leihmutterschaft soll verboten, Embryoverpflanzung eingeschränkt werden  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Ob Kinder oder keine entscheiden wir alleine.“ Dieser alte Slogan der Frauenbewegung ist in Frankreich bald überholt. Denn dort berät ab heute der Senat, die zweite Kammer des Parlamentes, über drei Gesetzentwürfe, die den Umgang mit der Embryonenforschung und neuen Reproduktionstechniken regeln. Unter anderem sehen sie vor, daß nur Frauen vor den Wechseljahren, die in „stabilen Beziehungen“ leben und nicht homosexuell sind, ein Embryo eingepflanzt werden darf. Frankreich würde damit das erste Land, das eine Altersobergrenze für die Mutterschaft festlegt.

Die Debatte über Bioethik-Gesetze begann Mitte der 80er Jahre, als sich auch in Frankreich die Reagenz-Glas-Befruchtung ausbreitete. Seither sind mehrere tausend Franzosen auf diesem Wege erzeugt worden. In den Forschungslabors des Landes lagern die übriggebliebenen Zigtausenden tiefgefrorenen Embryos, über deren Schicksal allein ForscherInnen entscheiden.

Dieser Zustand, so Sozial- und Gesundheitsministerin Simone Veil am Jahresanfang, verlange dringend nach einer Regulierung durch den Gesetzgeber. Beschleunigend für die erst in der vergangenen Woche angesetzte außerordentliche Senatssitzung wirkte vor allem die Niederkunft einer 59jährigen Engländerin zu Weihnachten. Die Frau war, nachdem britische Mediziner den Eingriff abgelehnt hatten, nach Italien gereist, um sich dort befruchtete Eizellen einpflanzen zu lassen. Seither sorgen die „Mütter im Oma-Alter“ für Aufregung in Frankreich. Die vielzitierten Hauptargumente gegen „Mutterschaft nach den Wechseljahren“ sind, daß die Kinder zum baldigen Waisendasein verdammt seien, daß eine Schwangerschaft für „solche Frauen“ ungesund sei und daß es der Natur widerspreche. Der Vizegesundheitsminister und konservative Politiker aus dem katholischen Pilgerort Lourdes, Philippe Douste-Blazy, verlangte bereits eine Harmonisierung auf europäischem Niveau, um zu verhindern, daß ein internationaler „Befruchtungstourismus“ einsetze.

Die drei Bioethik-Gesetzentwürfe befassen sich mit dem „Schutz des menschlichen Körpers“, mit Transplantationen und mit Reproduktionsmedizin. Leihmutterschaft soll verboten, Gen- Tests zur Identifikation von Personen sollen nur noch in Ausnahmefällen zugelassen sein. Letzteres ist ein Versuch, zu verhindern, daß Menschen nach ihren „genetischen Eltern“ forschen und eines Tages beispielsweise den Spermaspender und „eigentlichen Vater“ ausfindig machen. Um die juristischen Eltern, die möglicherweise überhaupt keine genetische Verwandtschaft mit ihren im Reagenzglas erzeugten Kindern haben, rechtlich zu binden, plant die französische Regierung ein eigenes Verfahren. Mann und Frau sollen vor der Embryoimplantation geprüft und verbindlich auf ihre Elternschaft verpflichtet werden.

Die Reproduktionsmedizin wird ausdrücklich auf die Behandlung von Sterilität von „Paaren im Fortpflanzungsalter“ beschränkt. Embryos sollen künftig nur noch bis zu fünf Jahren aufbewahrt werden dürfen. Witwen dürfen sich künftig nicht mehr einen von ihrem verstorbenen Gatten befruchteten Embryo einpflanzen lassen.

Angesichts der konservativen Mehrheiten in Senat und Nationalversammlung, wo die Gesetzentwürfe anschließend noch einmal in zweiter Lesung beraten werden müssen, ist die Verabschiedung wahrscheinlich. Wie schon 1978, als Frankreich als erstes Land der Welt „Ethik-Komitees“ einrichtete, würde das Land mit seinen Bioethik-Gesetzen international vorpreschen. Allerdings haben die Komitees nur beratenden Charakter, und oft sind sich die Ethik-Experten uneinig. So empfahl das Pariser Ethik-Komitee vor drei Jahren, einer Frau nach dem Ableben ihres Mannes ihre deponierten Embryos zu implantieren, während das nationale Ethik-Komitee dagegen war. Am Ende entschieden die Ärzte im Pariser Necker- Krankenhaus: Sie implantierten.

Inzwischen regt sich auch schon Widerspruch gegen die neuen Gesetze. Katholische Kreise verlangen nach einem Rechtsschutz für Embryos: Nur so seien genetische Manipulationen auszuschließen. Liberale bezeichnen die Gesetzentwürfe als viel zu weit gehenden Eingriff in das Privatleben.

Besonders bitter ist für die französische Regierung die Kritik aus Wissenschaftskreisen. Gynäkologen weisen darauf hin, daß „die Wechseljahre“ ein dehnbarer Begriff und weites Feld seien. Gegenüber dem gegenwärtigen Stand der Forschung sind die seit Jahren diskutierten Gesetzentwürfe schon wieder völlig veraltet. Der „Vater“ des ersten französischen Reagenzglas-Babys, Jacques Testart, nannte sie in einem Interview mit dem Figaro „sehr enttäuschend“. Über Forschung und Manipulation an Embryos sagten sie nichts. Dabei könnten diese Diagnosemethoden eines Tages zur Regel werden, um das „perfekte Kind“ zu garantieren. „Diese Selektion der menschlichen Spezies“, so Testart, „erscheint mir viel gefährlicher.“

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