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Bis daß der Tod uns abholt

■ Eine bejubelte Erstaufführung in Wilhelmshaven: Taboris „Requiem für einen Spion“

„Wir spielen, bis uns der Tod abholt.“ - Man muß sagen, daß der Autor und Regisseur George Tabori den Dadaisten Kurt Schwitters in seinem Stück „Requiem für einen Spion“ unverzagt beim Wort nimmt. Die von Tabori im Juni 1993 im Wiener Akademietheater herausgebrachte „Psst! psst!-Kommödie“ wurde am Samstag ausgerechnet von der Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven zur deutschen Erstaufführung gebracht: mit einer bejubelten Inszenierung von Peter Ries.

Es fängt an mit Trenchcoats, Schlapphüten und konspirativem Herumschleichen in einer Tiefgarage. So werden wir eingestimmt auf das Wiedersehen von drei Ex- Agenten des britischen Secret Service: Zucker, der Jude (Joachim Kwasny), der seine Biographie schreiben möchte, sein Führungsoffizier Murdoch (Hannsjörg Schuster) und Maggie, der „Weißen Rose“ (Katrin Rehberg). Zucker hat mit den beiden einige Ungereimtheiten der gemeinsamen Vergangenheit aufklären.

Warum hat Murdoch, der die Agenten beim Feind einschleuste, Zucker nicht ernsthaft eingesetzt? Wer hat Maggie, die von beiden heftig geliebt wird, an die Nazis verraten, die der tapfer Schweigenden die Zunge abschnitten?

Nach drei Akten in Form von grotesken Sketchen läßt Tabori, der selbst im Zweiten Weltkrieg zeitweise für den britischen Nachrichtendienst gearbeitet hat, sein Über-Ich Zukker im Ungewissen sterben. Und sogar der Tod ist ein Kalauer. Murdoch überschüttet den toten Zucker, Maggie und sich selbst mit Benzin. Das gemeinsame Flammenopfer scheitert mangels eines Streichholzes.

„Requiem für einen Spion“ gehörte bei der Umfrage der Fachzeitschrift „Theater heute“ zu den Stücken des Jahres 1993. Daß keine große Bühne der kleinen Landesbühne in Wilhelmshaven mit der deutschen Erstaufführung zuvor kam, erklärt sich wohl mit einer gewissen Scheu davor, in die übergroßen Regiestapfen eines George Tabori treten zu wollen.

Der Braunschweiger Regiegast Peter Ries aber scheute sich nicht und inszenierte einfach eine Hommage an den Tabori-Stil. Vieles erinnert an Körpertraining und Gestalttherapie, zwei der Schlagworte des von Tabori in den 70er Jahren gegründeten „Bremer Theaterlabors“. Kwasny und Schuster absolvieren bei den vielen Rollenspielen, die diese schwarze Komödie abverlangt, Beeindruckendes mit Körper, Sprache und Mimik. Der Mut zum Einsatz aller komödiantischen Mitteln fand ungeteilten Beifall. Karin Güthlein (dpa)

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