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Briten enttarnen SS-Mörder in Lübeck

■ Kriegsverbrechen belegt / Deutsche Justiz lehnt Verfahren ab

Dublin (taz) – Das britische Verteidigungsministerium hat am Mittwoch mehr als 2.000 Dokumente über den Zweiten Weltkrieg vorzeitig freigegeben, nachdem die Lübecker Staatsanwaltschaft im Dezember entschieden hatte, den früheren SS-General Wilhelm Mohnke aus Mangel an Beweisen nicht anzuklagen. Aus den Papieren, die ursprünglich erst 2021 veröffentlicht werden sollten, geht hervor, daß der heute in Hamburg lebende 82jährige am 28. Mai 1940 als Kommandant des 2. SS- Bataillons höchstwahrscheinlich den Befehl gab, in der Nähe von Wormhoudt in der Normandie mehr als achtzig britische Kriegsgefangene zu ermorden. Nur zwölf oder fünfzehn Gefangene überlebten das Massaker, vier davon sind auch heute noch am Leben.

Bei den jetzt freigegebenen Dokumenten handelt es sich vor allem um den Bericht der Londoner Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen, die 1947 Nachforschungen über das Wormhoudt-Massaker anstellte. Der Bericht stützte sich auf die Aussagen der SS-Offiziere Carl Kummert und Oskar Senf, die von einem Adjutanten erfahren hatten, daß Mohnke den Mordbefehl gegeben habe. Das reichte jedoch nicht für eine Anklage. Keiner der britischen Gefangenen, die überlebt hatten, konnte Mohnke eindeutig identifizieren.

Mohnke selbst wurde 1955 aus sowjetischer Gefangenschaft entlassen und zuletzt 1973 verhört, als ihm die Ermordung von 75 US- Kriegsgefangenen 1944 in der Ardennen-Stadt Malmedy vorgeworfen wurde – was er abstritt. Zu Wormhoudt wurde er nie befragt. Die Lübecker Staatsanwaltschaft sagte, ein erneutes Verhör sei sinnlos, da Mohnke ohnehin jede Schuld von sich weisen würde.

Die Überlebenden fordern, Mohnke vor Gericht zu stellen: „Er hatte bisher ein gutes Leben und soll endlich bestraft werden“, sagte der 81jährige Alf Tombs. „Er ist ein Mörder.“ Der Lübecker Staatsanwalt Heinrich Wille schloß die Wiederaufnahme der Untersuchung trotz der neuen britischen Unterlagen jedoch aus. „Wir kannten deren Inhalt seit mindestens vier Jahren“, sagte er. „Es wäre eine Katastrophe, wenn wir Klage erheben würden, die dann zusammenbricht.“ RaSo

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