1001 deutsches Märchen über klassische Spiele

■ Ob Dame, Schach, Halma oder Mühle und „Mensch, ärgere dich nicht“: Fast nichts ist für die Deutschen deutscher als ihr liebstes Brettspiel. Eine Umfrage

Was gibt es nicht alles: Fußball, Völkerball, Cricket, Polo, Golf, Tennis, Pingpong, Handball... Spiele sollen geistig und körperlich fit halten, für Unterhaltung sorgen und nicht zuletzt Regeln der Gesellschaft auf andere Weise bei Kindern einüben und bei Erwachsenen immer wieder erneuern. Die Kenntnisse über den Ursprung und die Geschichte der beliebten Brettspiele in Deutschland halten sich allerdings zumeist in äußerst bescheidenen Grenzen.

Die klassischen Gesellschaftsspiele wie Schach, Dame, Mühle oder Halma, ja sogar „Mensch, ärgere dich nicht“ sind nur moderne, manchmal stark vereinfachte Kopien fremdländischer Vorbilder. Jedoch, wen man auf der Straße auch fragt, Omas immer noch beliebte Brettspiele werden als deutsche Produkte angesehen und wegen ihrer „präzisen Logik“ angepriesen. Wir haben aus gegebenem Anlaß eine Umfrage gestartet. Was wir zu hören bekamen, waren 1001 Spiele-Märchen.

„Kennen Sie ausländische Brettspiele und können Sie uns welche nennen?“ Mikado, Go, Monopoly und diverse Würfelspiele wurden richtigerweise aufgezählt. Nicht einer der rund vierzig zufällig Angesprochenen ordnete aber Schach, Halma, Domino, Mühle, Dame, „Mensch, ärgere dich nicht“ oder gar das Spiel „Fang den Hut“ in dieselbe Kategorie ein. Mit Pachisi, Dameh oder Patolli, den antiken Vorläufern dieser Brettspiele, konnten sie gar nichts anfangen.

Bewaffnet mit schwarz-rot karierter Pudelmütze, einer Freundin am Arm und tiefdunkelgrüner Schlabberjacke, spekuliert ein Passant über den kulturellen Hintergrund der klassischen Gesellschaftsspiele: „Aus dem Nahen Osten kommen sehr viele Spiele, habe ich mir sagen lassen. Das hat wohl auch mit gesellschaftlichen Zusammenhängen zu tun; daß halt der Deutsche mehr ein arbeitsamer Mensch ist und daß Spiele oder Geselligkeit mehr in afrikanischen oder asiatischen Ländern vorkommen. In diesen Kulturen wird allgemein auch weniger gearbeitet.“ Der Mann war der einzige, der Vermutungen über ausländische Wurzeln von „deutschen“ Gesellschaftsspielen angestellt hat, zugegeben, in etwas rassistischer Weise. Alle anderen zeigten sich überrascht. „Dann sind es eben ausländische Spiele; wir Deutschen haben uns – muß ich sagen – ganz gut damit zurechtgefunden und sie sogar zur Meisterschaft gebracht“, sagte eine Mittvierzigerin, die ansonsten aber überzeugt ist, „daß wir wenigstens in den letzten Jahrzehnten die besten und intelligentesten Spiele ersonnen haben“.

Und während ein Postangestellter mit seinem Söhnchen auf unsere Frage entgegnete: „Backgammon und Schach spiele ich nur noch mit dem Computer. Woher die kommen, ist mir egal. Wir wollen nur unseren Spaß“, wollte eine ältere Dame mit Tirolerhut eine ausländische Urheberschaft in Deutschland verbreiteter Spiele, die sie schon seit ihrer Kindheit kennt, nicht glauben: „Dame gehört zu Deutschland wie die Weißwürschte zu München. Sind die Gesellschaftsspiele in anderen Ländern nicht eher von Deutschland kopiert?“

Den Arabern traute man wohl am meisten Spielfähigkeit zu. Der Sindbad-Bonus ließ auch die alte Dame nach der Enttäuschung, es seien keine deutschen Spiele, an den Orient denken: „Daß die meisten keine deutschen Ideen sind, juckt mich überhaupt nicht. Aber ich denke, aus dem Orient stammt sehr viel. Oder?“ Und: „Ich spiele sehr selten, wenn ich spiele, dann Monopoly. Schach kommt bestimmt aus Ägypten. Nicht? Dann bestimmt aus dem arabischen Raum.“ Beniamino di Carof