: „Partei kommt nicht in die Tüte“
■ Aber mit Wählerbündnis will ex-Grüner Heck mehr Demokratie von unten
Ortsamtsleiter Dieter „Hucky“ Heck hat vor Jahren den Grünen enttäuscht den Rücken gekehrt. Er gilt als möglicher Kopf einer Sammlungsbewegung, die sich in Bremen – ausgehend von angestauter Unzufriedenheit in den Stadtteil-Beiräten – organisieren könnte, um bei den Bürgerschaftswahlen in den Landtag zu kommen.
In politischen Kreisen wird viel gemunkelt über eine neue Wähler-Sammlungsbewegung. Alle erwarten ein klares Wort von Hucky Heck dazu. Wird es diese „Bewegung“ zu den Bürgerschaftswahlen geben?
Dieter Heck, Ortsamtsleiter Mitte: Das ist verfrüht, das jetzt zu sagen. Es gibt eine Idee. Es gibt den Wunsch und auch das Gefühl, man müßte im politischen Raum einiges unterbringen, was da verloren gegangen zu sein scheint.
Mit einer neuen Partei?
Nein, ich möchte wirklich keine neue Partei, die wäre überflüssig. Ich glaube, daß die alten Parteien schon überflüssig sind. Es müßte ein breites Wählerbündnis sein, das Parteigrenzen und auch Ideologiefelder überschreitet und im Interesse dieser Stadt bestimmte Themenfelder zusammenbringt, die in einzelnen Parteien nicht zusammenzubringen sind.
Die Grünen sind auch einmal angetreten mit einer Idee, einem Wunsch und einem Gefühl.
Mein Empfinden ist, daß sich bei den Grünen eine Führungsclique etabliert hat. Die hat sich mehr und mehr abgesetzt von der breiten Basis, die es gibt, die aber selten auf Mitgliederversammlungen erscheint. Diese Runde die für die Grünen in der Öffentlichkeit und auch in der Regierungsverantwortung stehen, befindet sich in einem Karussell von scheinbaren Sachzwängen. Da kann einem auch der Blick verloren gehen. Meine Erfahrung ist, daß sie sich auch als beratungsressistent erweist.
Kann sich so eine Sammlungsbewegung vernünftiger Bürger jemals auf parteien- und ideologienübergreifende Ziele verständigen?
Klar kann sie. Ich kann ja mal drei Punkte nennen, die denkbar wären. Ich sage bewußt im Konjunktiv: wären. Erstens Demokratie nach unten. Die Bevölkerung in den Stadtteilen muß in Details und Dingen, die den Stadtteil berühren, selber entscheiden können. Und sie muß die finanziellen Möglichkeiten haben, das auch umzusetzen.
Das war Punkt eins.
Ja. Punkt zwei: Die Altparteien schaffen es offenbar nicht, den Behördenapparat extern zu durchleuchten. Der Staat muß sich aus bestimmten Dingen zurückziehen und die entsprechenden Personalreduzierungen durchführen, sonst bleibt neben dem Personalkosten- Etat nichts mehr übrig, um Politik zu machen...
Der grüne Fraktionssprecher Mützelburg denkt ganz ähnlich.
Ja, ich weiß. Andere auch. Aber es fehlt der Mut, jetzt ein externes Refa-Unternehmen zu engagieren. Jeder Betrieb, der in einer derartigen Situation ist, sieht: die Einnahmen und die Ausgaben stimmen nicht mehr überein, wir müssen umstrukturieren, und tut das auch.
Drittens?
Neue Bescheidenheit. Den meisten in der Bevölkerung geht es ausgesprochen gut. Damit das untere Drittel aber nicht abgehängt wird, verlange ich, daß Haushaltspläne einmal andersherum aufgestellt werden. Zuerst muß die Frage gestellt werden: Was brauchen wir für die Menschen, die unterprivilegiert sind? Man muß ein großes Augenmerk darauf legen, daß diese Gesellschaft nicht von unten kaputt geht. Den Rest stecken wird in die Wirtschaftsförderung.
Wirtschaftsförderung könnte Arbeitsplätze schaffen.
Könnte, tut es aber seit Jahren nicht. Wir haben kein Mittelstandsprogramm, wir haben kein Programm zur Förderung von Kleinbetrieben, wir konzentrieren uns auf die Großen, in die Millionen hineingehen. Bremen hat eine enorme Abhängigkeit in seiner Arbeitsmarktlage von einigen wenigen Großen. Wenn Wirtschaftsförderung, dann für Klein- und Mittelbetriebe. Da arbeiten immer noch die meisten, nebenbei bemerkt.
Wo gibt es denn Bündnispartner für dieses Projekt? Die Unabhängigen im Beirat Gröpelingen, Herbert Brückner ...?
Es haben sich auch andere gemeldet. Man muß da in aller Ruhe in Gespräche eintreten. Wir haben richtig viel Zeit. Wenn Du zu früh mit sowas kommst, gibt es den Verpuffungseffekt. Anfang 1994 ist in jedem Fall zu früh.
So ein Sammlungsprozeß zieht immer auch das Strandgut an...
Wenn man eine Partei gründet, wird man das nicht vermeiden können. Deshalb sage ich: Partei kommt nicht in die Tüte. Ich habe mit einigen Leuten gesprochen, denen auch besonders das Basisdemokratische am Herzen liegt. Da gibt es Leute, die sagen: Wenn wir erreichen, daß wir einige auf einen Bürgerschaftssitz bringen können, dann haben wir wenigstens jemanden, der Fürsprecher für Beiräte und Politik von unten auch im Parlament ist. Wir haben im Moment einen Senator, den das überhaupt nicht interessiert...
Den Innensenator van Nispen?
Ja. Beiräte sind doch im Moment nur das Letzte für alle, die da oben „Macht“ besitzen. Die nerven doch nur. Entweder sollte man sie dann abschaffen oder wir sollten anfangen, uns zu wehren. Das ist meine Meinung. Und wenn dieses Auftreten einer Wählergruppierung, die Themen formuliert, nur dazu führt, daß die anderen das aufnehmen, wie das lange die Rolle der Grünen war, dann ist auch das viel wert.
Int.: K.W.
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