: „Es wird hart...!“
■ Res Bosshart, neuer Kampnagel-Chef, gibt einen ersten Einblick in seine Pläne / Erster Teil Von Till Briegleb
taz: Man erhofft sich von Ihnen, daß Sie die Eigenarten von Kampnagel wieder stärker profilieren. Welches Konzept verfolgen Sie?
Res Bosshart: Kampnagel hat schon von den Räumen ganz besondere Möglichkeiten. Und das muß bis ins Extreme ausgenutzt werden. Das heißt, mich interessieren vor allem Theater, die mit diesem Raum spielen, diesen Raum aber auch politisch als einen öffentlichen Raum verstehen. Ich orientiere mich daran, was man das Periphere Theater nennt, das Theater, wo es am meisten Bewegung gibt. Dort suche ich Leute und Inhalte.
Gibt es im Freien Theater noch genügend Ressourcen, um sich inhaltlich wieder deutlicher vom Staatstheater abzusetzen?
Wenn ich mich in Europa umschaue, dann denke ich sehr wohl, daß es dort einige sehr gute Gruppen gibt. Aber auch in Hamburg. Aber man muß als Gruppe mutig sein und nicht bei einem ersten Erfölgchen auf seiner Ästhetik hocken bleiben. Hier ist die große Aufgabe von Kampnagel, Künstler weiter zu treiben und immer wieder darauf hinzuweisen, wo es interessant ist.
Heißt das, daß die inhaltliche Einflußnahme der Leitung in Zukunft wesentlich stärker sein wird?
Nicht, wenn es um die Bestimmung von Themen oder Stücken geht. Aber es geht durchaus um inhaltliche Zusammenarbeit und eine künstlerische Betreuung.
Und deswegen wird es auch ein verstärktes dramaturgisches Team mit vier neuen Leuten geben?
Ja, wobei es nur eine Stelle mehr als bisher ist, denn die Öffentlichkeitsarbeit wird in eine Öffentlichkeitsdramaturgie umgewandelt.
Sie werden Ihren Spielplan statt mit Festival-Blöcken mit thematischen Blöcken strukturieren. Was versprechen Sie sich davon?
Daß sich das Publikum mehr durchmischt. Momentan ist die Trennung von Tanz- zu Sprech-theaterpublikum vollzogen. Ich möchte dieses Segment durchmischen, indem ich alles über das ganze Jahr veranstalte. Damit aber ein Gesicht erkennbar wird, will ich inhaltliche Klammern.
Kann das nicht auch zur Publikumsverwirrung führen.
Das kann sicherlich passieren. Dennoch möchte ich es so versuchen und hoffe, daß wir Themen finden, die nicht ausgrenzen, sondern das Gegenteil bewirken. Ich kann mir vorstellen, daß das in den ersten Blöcken noch keine guten Auswirkung hat, aber ich bin überzeugt, daß wir das Interesse wecken werden.
Wieviel Galgenfrist haben Sie, um zu experimentieren?
Ich arbeite auf Kampnagel, ich hoffe, daß ich vier Jahre experimentieren darf.
Hans Man in't Veld hat den Schwerpunkt Tanztheater eingeführt. Gibt es für Sie einen vergleichbaren Schwerpunkt?
Mir liegt das neue Musiktheater am Herzen. Das ist ein Bereich, der sich in den letzten zwei Jahren sehr innovativ entwickelt hat. Aber auch gutes Sprechtheater mit spannenden Texten interessiert mich sehr. Aber da muß es natürlich inhaltlich und ästhetisch zwingende Gründe geben, damit man das auf Kampnagel inszeniern will.
Wie wichtig ist Ihnen der Produktions- gegenüber dem Gastspielort Kampnagel?
Kampnagel als Produktionsort ist für mich sehr wichtig. Wir sind zum Beispiel daran, mehr Proberäume zu schaffen. Aber es muß nicht unbedingt jeder Proberaum von einer Hamburger Gruppe belegt sein. Ich möchte auch Gruppen aus anderen Städten und Ländern als Koproduktions-beitrag einen Proberaum zur Verfügung stellen.
Wird Kampnagel Eigenproduk-tionen machen?
Mir ist es sehr wichtig, Produktionen zu initiieren. Ich möchte Leute zusammenbringen und Ideen an Künstler herantragen, das finde ich sehr wichtig.
Wieviel derartige Projekte wollen Sie pro Saison machen?
Zwei bis drei.
Darüber hinaus wird es auch noch Koproduktionen geben.
Ja. Mir geht es darum, daß gute Projekte realisiert werden. Wenn wir da mit unseren Mitteln helfen können, dann würde ich immer Koproduktionen machen.
Haben Hamburger Gruppen ein Vorrecht auf Kampnagel?
Die Hamburger freien Gruppen haben natürlich ein Vorrecht. Aber es muß auch im Interesse der Hamburger Gruppen sein, daß hier die wirklich guten Theater aus Hamburg produzieren. Mit dem Geld, was wir für freie Gruppen in Hamburg zur Verfügung haben, möchte ich lieber Maximalbeiträge geben, dafür aber die Auswahl sehr reduzieren. Die wenigen will ich dann aber auch wirklich ernst nehmen. Das ist hart, das ist mir klar, aber das andere ist langweilig.
Freitag folgt Teil II. Dann geht es um eine neue Denkfabrik, Sparen und Bezahlen, ums Jugendtheater (siehe oben links), das Gelände und dessen Infrastruktur
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