Geb. 1864, gestorben 1949

■ Straßennamen, 6. und letzte Folge: Kein Mensch kennt Max Beer, aber er steht auf der Abschußliste / Die taz belohnt diejenigen mit Mittagessen, die uns aufklären

Noch ist nicht sicher, ob die winzige Max-Beer-Straße im Scheunenviertel umbenannt wird. Zwar steht sie auf der Liste der Unabhängigen Kommission zur Disposition, aber einen Ersatznamen haben die Experten noch nicht gefunden. Es ist also gut möglich, daß die einstige Dragonerstraße ihren am 31. Mai 1951 vom Ostberliner Magistrat verliehenen Ehrennamen Max Beer behält.

Allerdings wäre dies nicht ohne Komik. Denn keiner weiß, wer Max Beer wirklich gewesen ist, geschweige denn, in welcher Weise er sich in der Arbeiterbewegung oder im antifaschistischen Widerstand betätigt hat. Es fehlen Gründe, den Namen zu verteidigen.

Die Rechercheergebnisse lauten wie folgt: „Geboren 1864, gestorben 1949. Beruf Journalist.“ Diese mageren Angaben stehen in einem bibliographischen Werk über die Straßen in Berlin. Weder im Archiv des Neuen Deutschland, das über die Umbenennung 1951 berichtete, noch in einem alten oder neuen Berlin-Lexikon oder überhaupt in irgendeinem anderen Nachschlagewerk wird Max Beer erwähnt.

Auch die PDS paßt, dergleichen die Erfinder der Straßenumbenennungen in der Verkehrsverwaltung. Ihr wichtigster Tip: „Fragen Sie doch mal bei den Mitgliedern der Unabhängigen Kommission.“ Als kompetentester Kenner Berlins gilt ihnen Laurentz Dempf, Geschichtsprofessor an der Humboldt-Universität. Der weiß leider auch nicht, warum Max Beer auf der Liste steht: Er kennt ihn nicht. Sein Trost für die taz: „Sie sind die ersten, die seit 1951 nach ihm fragen.“

Die Kulturverwaltung verweist auf das Landesarchiv, das wiederum auf seine Außenstelle in der Breiten Straße. Nach einem Tag Recherchen im Keller des Hauses wird die Referentin Heike Schroll endlich fündig. Sein korrekter Name laute Max Moses Beer, und „irgendwann“ nach dem Ersten Weltkrieg habe er eine „Allgemeine Geschichte des Sozialismus geschrieben“. Eine Angabe, die später ebenfalls nach langer Sucherei Volker Hobrack, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, bestätigt.

Etliche Fragen, zum Beispiel wo und wie der Journalist die Nazizeit überlebt hat, bleiben offen. Die taz belohnt denjenigen mit einem dreigängigen Mittagessen in der Redaktion, der uns aufklärt über Beers Wirken und Verschwinden.

Wobei die wichtigste Frage natürlich lautet: Warum wurde bei der Umbenennung der alten Dragonerstraße in Max-Beer-Straße dessen Zusatzname Moses nicht erwähnt? Antisemitismus von oben? Ein Grund, die Straße in Max Moses Beer umzubenennen. Anita Kugler