■ Urdrüs wahre Kolumne: Auf der Überholschleimspur
Wie einst Klaus Kinski im Zuchthaus von Dartmoor dämonisiert sich im Neu-Bundesland Sachsen der Ex-Pastor Heinz Eggers durch die Politik. Jetzt hat er gar einen Beförderungsstop für unfreundliche Beamte angekündigt. Kriegt dafür natürlich Beifall von allen Seiten, obwohl doch heute schon klar wäre, daß diese neue Schleimspur für Karrieren im öffentlichen Dienst besonders widerliche Fäden ziehen würde. Wir aber wollen heute Lob und Anerkennung zollen jenem unbekannten Justizbeamten, der uns dieser Tage im hiesigen Amtsgericht begegnete und auf die Frage nach dem Weg zur Geschäftsstelle in misanthroper Gelssenheit bekundete: „Hab heute schon viermal was erklärt. Jetzt reicht–s ich bin doch nicht die Auskunft!“ Ich hab dich lieb...
Ein Prophet mit wilder Barttracht und eindrucksvollen Hochwasserhosen konfrontiert derzeit die Schnäppchenjäger in der Bremer Innenstadt mit eloquent vorgetragenen Auslassungen über Geheimdienste und Verfassungsschützer, die vor nichts Angst hätten, wohl aber vor einem einig Volk, das Ihnen entschlossen gegenüberträte: „Ich habe das in den letzten Jahren schon tausendmal und viel mehr überall gesagt und gesagt und gesagt – aber ich kann nur Anstöße geben, organisieren läßt sich das nicht.“ Aus den betretenen Minen der auf die Straßenbahn wartenden Schlußverkaufskunden liest der Redner nur wenig Zustimmung heraus, zuckt mit den Achseln und murmelt nur noch: „Tausendmal gesagt, aber sie verstehen es nicht, sie verstehen es nicht. Glaubt ihr denn, ich bin verrückt?“ Nein, guter Mann! Recht hast du. Doch der Weg von der Erkenntnis zur Tat ist keine gerade Autobahn. Predige weiter!
Zum Bremer des Jahres wurde vom Parlament der BILD-Leser jetzt Michael Derda vom Ernst-Waldau-Theater gewählt. Und das noch vor Dasa-Betriebsrat Nowak und Bodybuilding-Weltmeisterin Manuela Franz. Wo aber bliebt Rudolf Hickel, wo Werder-Willi und der Wedeklaus? Und vor allem: Wo bleibt Behle?
Ach ihr blöden Christen unterm Niedersachsen-Roß! Jetzt wollt ihr doch tatsächlich „die Verantwortung vor Gott und den Menschen als letzte Richtschnur und Bindung für alles staatliche Handeln“ in der Landesverfassung festgeschreiben lassen und habt dafür schon über 120.000 Unterschriften gesammelt. So aber spricht der Herr: Ihr sollt meinen Namen nicht unnützig führen! Vermutlich wollt ihr dem Zebaoth nur die Verantwortung für eure Atommüll-Lager, Autostrecken und Emsbaggerungen zuschanzen, für Schweinepest, Vetternwirtschaft, Transrapid und EXPO. Abgelehnt!
Gesehen am Seitenfenster eines Sattelschleppers im Waller Hafengebiet: „Wenn der Staat nicht vernünftig sein will, legen wir Brummis alles still!“ Wer sagt da noch, das Jahr 1994 hätte keine prachtvollen Perspektiven?
Im Zentrum für Weiterbildung an der Uni Bremen beginnt dieser Tage ein Seminar „Dem Teufel treu und hold sein“, zu dem erläuternd mitgeteilt wird: „Das Seminar richtet sich an neugierige Frauen, die sich mit Fragen der Hexen und Hexenprozesse beschäftigen. Besondere Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.“ Doch wehe, wenn ich auf das Ende sehe – sind Sie bitte vorsichtig, neugierige Frau!
Ulrich Reineking-Drügemöller
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