: Gebühren als Geschenk an Spediteure
Kabinett beschließt: Lkw müssen ab 1995 für Autobahnbenutzung zahlen / Aber schon in diesem Jahr wird die Kfz-Steuer gesenkt / Geld für den Bund, Finanzloch für die Länder ■ Aus Bonn Hans Monath
Es klingt paradox: Die Spediteure müssen Gebühren für die Autobahnnutzung zahlen – und jubeln. Mit ihrem gestrigen Beschluß greift die Bundesregierung den deutschen Spediteuren im europäischen Wettbewerb nämlich kräftig unter die Arme.
Bezahlt werden muß von 1995 an für jeden Lkw mit mehr als 12 Tonnen Gewicht, der Güter transportiert. Bevor aber im kommenden Jahr ausländische und deutsche Transportunternehmen pro Brummi und Jahr bis zu 2.500 Mark überweisen müssen, wird in der Bundesrepublik die Kfz- Steuer für Lkw von April an von 10.500 auf 5.300 Mark pro Jahr gesenkt. Auf diese Weise sollen die deutschen Transportunternehmer im „brutalen Verdrängungswettbewerb“ auf dem europäischen Markt bessergestellt werden, erläuterte gestern Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) den Sinn der Aktion.
Vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, daß gestern die Spediteure gegen die neuen Gebühren nicht etwa Sturm liefen. Im Gegenteil: „Die Gebühr ist viel zu niedrig“, klagte der stellvertretende Geschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Güterfernverkehrs, Karlheinz Schmidt, gegenüber der taz. Er forderte höhere Gebühren für alle Lkw auf Autobahnen und eine weitere Senkung der Kfz-Steuern.
Als „Einstieg in die Anlastung von Wegekosten“ feierte der Verkehrsminister gestern den Kabinettsbeschluß, der zeitlich gestaffelte Gebühren von einem Tag bis zu einem Jahr vorsieht. Die Gebühr für Lastwagen mit vier oder mehr Achsen kostet für ein Jahr rund 2.500 Mark, für einen Monat 250 Mark, für eine Woche 66 Mark (für Dreiachser 1.500, 150 und 40 Mark). Die Tagesgebühr für beide Kfz-Klassen beträgt rund 12 Mark. Kritiker monieren, daß Vielfahrer genausoviel zahlen wie Gelegenheitskutscher.
Mit ihrem Beschluß setzt die Bundesregierung eine Vereinbarung mit den Verkehrsministern von Belgien, Dänemark, Luxemburg und den Niederlanden vom Juni 1993 um. Die Gebühren können in allen fünf Ländern entrichtet werden und berechtigen zur Nutzung der Autobahnen in der gesamten Region.
Eine Lkw-Vignette ist nicht geplant. Statt dessen sollen Brummi- Fahrer an Tankstellen und Rastplätzen eine entsprechende Bescheinigung kaufen können. Wer das Papier nicht vorlegen kann, muß mit Geldbußen bis zu 10.000 Mark rechnen, über die das Bundesamt für Güterverkehr ein Register führen soll.
Pro Jahr erhofft sich der Bund Einnahmen von rund 700 Millionen Mark. Davon müssen voraussichtlich 50 Millionen Mark für Organisation, Verwaltung und Kontrollen ausgegeben werden.
Die Länder, die die Kraftfahrzeugsteuern bekommen, haben hingegen einen Verlust von etwa 1,4 Milliarden Mark pro Jahr zu verkraften. Die Anhebung der Abgaben für Diesel-Pkw kann dieses Finanzloch nicht einmal zur Hälfte stopfen.
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