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Gnadenfrist für Flüchtlinge

Innenminister beschließen zeitliche Staffelung der Abschiebungen nach Kroatien / Aufschub für Flüchtlinge aus besetzten Gebieten / Mitte 1995 sollen alle die BRD verlassen haben  ■ Von Vera Gaserow

Die Innenminister von Bund und Ländern haben ihren Beschluß, zum 30. April rund 100.000 Kriegsflüchtlinge nach Kroatien auszuwiesen, in wichtigen Teilen korrigiert. Nach fünfstündigen, „zähen“ Verhandlungen einigten sie sich am Mittwoch abend auf einer Sonderkonferenz in Bonn, die Abschiebungen „zeitlich gestreckt“ vorzunehmen.

Dabei sollen Flüchtlinge aus serbisch besetzten oder zerstörten Gebieten Kroatiens den längsten Aufschub bekommen. Sie müssen spätestens im Juni 1995 die Bundesrepublik verlassen haben. Mit der Abschiebung der anderen Flüchtlinge, von den Innenministern „Rückführung“ genannt, soll ab 1. Mai 94 „unverzüglich“ begonnen werden. Als erste sollen unverheiratete kinderlose Erwachsene und Erwachsene, deren Ehegatten oder Kinder in Kroatien leben, Deutschland verlassen. Danach sollen in zeitlicher Reihenfolge kinderlose Ehepaare folgen, dann Eltern und Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern. An letzter Stelle kommen Minderjährige und Kinder, deren familiäre Betreuung in Kroatien sichergestellt sein muß. Mit Ausnahme der Flüchtlinge aus besetzten oder zerstörten Gebieten sollen die Abschiebungen bis Ende Oktober abgeschlossen sein.

Auf andere Kriterien, die zuvor Menschenrechtsorganisationen, aber auch einige Innenminister selber gefordert hatten, konnte sich die Bonner Politikerrunde nicht verständigen: so sind Kriegsdienstverweigerer und Deserteure nicht von Abschiebungen ausgenommen. Hierzu heißt es nur windelweich: „Die Bundesregierung wird gebeten, bei ihren Gesprächen mit der kroatischen Regierung darauf hinzuwirken, daß kroatische Deserteure Straffreiheit genießen und das Recht auf Kriegsdienstverweigerung beachtet wird.“ Auch ein Abschiebeschutz für Flüchtlinge in gemischt-nationalen Ehen ist nicht vorgesehen. Sie sollen jeweils nach der für sie günstigsten Regelung behandelt werden. Nicht einigen konnten sich Bund und Länder auch über ein Rückführungsprogramm. Die Innenminister fordern zwar weiterhin, daß der Bund sich zu 50 Prozent an dessen Kosten beteiligt. Bundesinnenminister Kanther lehnt das jedoch ab.

Menschenrechtsorganisationen und die Ausländerbeauftragte des Bundes begrüßten gestern, daß die Innenminister ihre Entscheidung zur generellen Abschiebung nach Kroatien noch einmal korrigiert haben. „Als Erfolg, daß der damalige Beschluß von der Qualität einer Laienspielschar durch eine qualifizierte öffentliche Diskussion korrigiert worden ist“, wertete Herbert Leuninger von pro Asyl den IMK-Beschluß. „Ein Zeichen, daß man durch Druck etwas bewegen kann“, sieht amnesty international (ai). Doch nicht nur der innenpolitische Druck in Deutschland, vor allem der wirtschaftliche Druck Kroatiens dürfte die Innenminister etwas zur Besinnung gebracht haben. Man wolle, so heißt es denn auch in ihrer Erklärung, „dem kroatischen Staat einen angemessenen Zeitraum einräumen“, die Versorgung der Rückkehrer sicherzustellen. Die Kriterien für die Staffelung der Abschiebung, so kritisiert ai, richteten sich denn auch weniger nach der Gefährdungslage der Flüchtlinge als nach den technisch-organisatorischen Aufnahmeproblemen Kroatiens.

Künftig sollen Bürgerkriegsflüchtlinge wie Asylbewerber nach einem festgelegten Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden. Auf dieser Regelung haben vor allem Berlin, Baden-Württemberg und Bayern bestanden, wo die meisten Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien Zuflucht gesucht haben. Bis Mai sollen Vorschläge für das Verteilverfahren auf dem Tisch liegen. Bis dahin will man auch – analog zum Asylbewerberleistungsgsetz – drastische Sozialhilfekürzungen für Bürgerkriegsflüchtlinge prüfen.

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