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Die Zukunft gehört der Sonne

■ Wissenschaftler plädieren für die marktgerechte Solarenergie

Eigentlich ist Sonnenenergie ein alter Hut: Bereits auf der Weltausstellung in Paris 1889 stand der erste Parabolspiegel, der Sonnenstrahlen bündelte, Wasser erhitzte und so Dampf erzeugte. „Richtig entwickelt wird diese Energie aber erst seit der ersten Energiekrise in den Industrieländern, also seit Anfang der siebziger Jahre“, erzählt Joachim Nitsch von der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrttechnik. Zusammen mit seinem Wissenschaftskollegen Olaf Hohmeier versuchte er in der vergangenen Woche, Bremer Studentinnen und Studenten davon zu überzeugen, daß die Produktion von regenerativer Energie auch unter Marktbedingungen Sinn macht und ökologisch notwendig ist.

Gemessen am Gesamtenergieverbrauch der Erde (10 Mrd. Tonnen Steinkohleeinheiten pro Jahr, Stand 1990) steht ein Reservoir an regenerativen Energien zur Verfügung, das insgesamt 2.900mal so groß ist. Technisch nutzbar ist davon immerhin noch die dreifache Energiemenge. Damit die wenigstens genutzt werden kann, müssen Investitionen in regenerative Energien gefördert werden. Nitsch fordert „die Preise für Energie real zu verdoppeln“. Das könnte sowohl über Energiesteuern und -abgaben geschehen, als auch mit der gezielten wirtschaftlichen Förderung von Investitionen in erneuerbare Energie. Allein durch eine verbesserte Energienutzung und verstärkter Kraft-Wärme-Kopplung „beginnen die erneuerbaren Energiequellen mit 6% Beitrag im Jahr 2005 energiewirtschaftlich relevant zu werden“, meint Nitsch. Leuchtendes Beispiel in der Landschaft bundesdeutscher Kommunen ist Rottweil mit seinen 40.000 Einwohnern. Dort sorgen heute schon 50 Blockheizkraftwerke für 18% des elektrischen Stroms der Kleinstadt.

Bis dahin muß ivestiert werden: 200 Milliarden in Wärmedämmung zur besseren Nutzung der Energie vor allem in Altbauten; 65 Mrd. in Fern- und Nahwärmeversorgung mit Kraft-Wärme-Kopplung; 70 Mrd. für die Entwicklung neuer Technologie; 100 Mrd. in energiearme Busse und Bahnen; summa summarum rund 370 Milliarden Mark, entsprechend bis 2005 rund 34 Mrd pro Jahr.

„Wenn das alles funktionieren soll, dann heißt das aber auch, das wir in die Preise für Energie aus fossilen Brennstoffen die ökologischen Folgekosten einbeziehen“, sagt Olaf Hohmeier vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Der Wissenschaftler hat solche externen Folgekosten einmal auf dem Stand des aktuellen Energieverbrauchs hochgerechnet. Danach würden sich die Kohlendioxidausstöße bis zum Jahr 2030 auf 550 ppm verdoppeln. Das wiederum hätte zur Folge, daß sich die Erdathmosphäre um rund 1,8 Grad Celsius erwärmen würde. Für dieses Szenario hat Hohmeier folgende Kosten errechnet:

-Der Seuchengürtel der Erde dehnt sich aus und richtet globale Schäden von 2,8 Billionen Mark an;

Der Meeresspiegel steigt um 30 bis 50 Zentimeter und überschwemmt fruchtbares Ackerland. Schaden: 4,4 Billionen Mark.

-Die Niederschläge verändern sich: Regen wird seltener, dafür heftiger. Das wiederum führt dazu, das Ackerland ausgespült wird. 50% des Weltexportes an Getreide würde ausfallen, eine Hungerkatastrophe wäre ausgelöst. „Die Welthandelspreise für Getreide würden ins Astronomische steigen. Allein die Tatsache, daß Japan seinen Markt für Reis geöffnet und zwei Mio. Tonnen exportiert hat, ließ den Reispreis auf dem Weltmarkt verdoppeln.“ In diesem Szenario würden rund 800.000.000 Menschen verhungern, und jedes Menschenleben müsse bei der Bewertung von externen Folgekosten mit einer Million Dollar bewertet werden.

„Wenn die Kosten für alle diese Folgen nicht mit eingerechnet werden, ergibt sich ein klarer Wettbewerbsnachteil für regenerative Energie“, sagt Hohmeier, der eine Kilowatt-Stunde aus einem Atomkraftwerk mit Gestehungskosten zwischen 6,5 und 31 Pfennig, bei Windenergie von 30 bis 80 Pfennig ansetzt. „Und so etwas macht den Kohl natürlich fett.“ mad

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