: Der heiße Draht funktioniert wieder
■ Jelzin redet mit Clinton / Kroaten präsentieren ihren Plan zum Erhalt Bosniens
Genf (taz/dpa) – Die Waffenruhe in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo ist nach Angaben des Chefs der UNO-Friedenstruppen in Bosnien-Herzegowina, Generalleutnant Michael Rose, bis gestern nachmittag nicht ernsthaft verletzt worden. Der bosnische Rundfunk berichtete dagegen, in der Nacht zum Freitag sei bereits wieder geschossen worden. Trotzdem gibt es kleine Anzeichen, daß die Serben vielleicht doch auf das Nato-Ultimatum reagieren. Wie aus Kreisen der UN- Schutztruppen verlautete, haben die Serben erste Artilleriegeschütze an die UNO übergeben. Den Angaben zufolge übergaben auch die bosnischen Regierungstruppen mehrere Geschütze.
Auch die Spannungen zwischen der Nato und Rußland scheinen sich in Wohlgefallen aufzulösen. Nachdem der „heiße Draht“ zwischen Washington und Moskau gut 48 Stunden stumm blieb, hat US-Präsident Bill Clinton am Freitag doch noch seinen russischen Kollegen Boris Jelzin zum telefonischen Meinungsaustausch über die Lage in Bosnien erreicht. Eine halbe Stunde lang sprachen die beiden Staatschefs über die Differenzen, die nach dem Nato-Ultimatum an die bosnischen Serben zwischen westlichem Bündnis und Rußland aufgetaucht sind. Rußland verzichtete bereits Donnerstag nacht auf eine neue Entscheidung des Weltsicherheitsrates zu Luftangriffen in Bosnien. Jelzins Sprecher Krassikow dementierte Berichte, wonach technische Probleme oder der gesundheitliche Zustand Jelzins ein Telefongespräch mit Clinton verhindert hätten. Jelzin habe Mittwoch und Donnerstag ständig auf einen Anruf gewartet. Am Rande der gestern in Genf fortgesetzten Verhandlungen zwischen den drei Kriegsparteien stellten Vertreter der bosnisch-kroatischen Mehrheit einen neuen Plan für den Erhalt der Republik Bosnien- Herzegowina in seinen bisherigen Grenzen vor. Als Vertreter des letzten Sonntag in Sarajevo gebildeten „Kroatischen Volkskongresses“ legten dessen Präsident Ivo Komsić, Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, sowie Vorstandsmitglied Anto Kovacević einen Plan vor, der den Erhalt einer zentralen Regierung und ein Zweikammerparlament sowie die Untergliederung in 17 multikulturell bewohnte Kantone vorsieht. Komsić und Kovacević sprachen den westherzegowinischen Regionalfürsten Boban und Akmaidžić, die von EU und UNO immer noch am Genfer Verhandlungstisch akzeptiert werden und die Dreiteilung Bosniens verlangen, das Mandat ab, für die bosnischen Kroaten zu sprechen, und verlangten, ihrerseits offiziell an den Verhandlungen beteiligt zu werden. UNO- Vermittler Stoltenberg lehnte diese Forderung gegenüber der taz mit der Bemerkung ab, die Verhandlungen seien „schon schwierig genug mit drei Parteien“. Der Vorschlag der bosnischen Mehrheitskroaten sei für die bosnische Regierung „zu 95 Prozent akzeptabel“, erklärte deren Genfer UNO-Botschafter Biedić auf Anfrage. Nachdem Serbenführer Karadžić eine internationale Untersuchung des Massakers in Sarajevo verlangt hatte, gab die UNO die Bildung einer entsprechenden Kommission bekannt. azu Seite 8
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