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Das Kamel tanzt

■ Mozarts „Entführung...“ im Jungen Forum Musiktheater

Mit der Entführung aus dem Serail leistete Mozart 1782 seinen Beitrag zur damaligen „Türkenmode“. Die einst gefürchteten Osmanen waren zu absonderlichen Orientalen geworden, die man gut verspotten konnte. Der aufklärerische Schluß, an Lessings Nathan erinnernd, ist aber in Mozarts Oper nicht zu übersehen, wenngleich schon zeitgenössissche Kritiker diesen ewigen Großmut auf der Bühne als altmodisch empfanden. Klamauk oder Aufklärung, differenzierte oder satirisch überzeichnete Personendarstellung? Was tun mit dieser Oper: Aron Stiehl, der am Sonnabend seine Diplom-Inszenierung in der Musikhochschule vorstellte, hat seine Entscheidung getroffen.

Noch bevor es losgeht, treibt sich Osmin, der Aufseher über das Landhaus des Bassa Selim, im schwarzen Outfit und typischer muselmanischer Kopfbedeckung, im Zuschauerraum herum, die Gänge fegend. Er lümmelt sich in seine Hängematte, umgeben von buntem Neonlicht, Sonnenschirm und Bierkiste. Schuhe putzend und Fische angelnd wirkt er etwas vergammelt, aber nicht unattraktiv. Die Fische über dem Orchestergraben und über allem ein blauer Wolkenhimmel verraten Kommendes: Ein Regieeinfall jagt den nächsten, viele freundliche Gags lösen sich ab. Turnt im Schauspielhaus im Zigeunerbaron derzeit ein Schwein über die Bühne, so freuen sich die Zuschauer hier über einen Elefanten und ein Kamel, das tanzt, wenn Blonde die Kassette „I wann'a be loved by you“ auflegt. Diese Ausstattungsregie hat sicherlich Vorteile: Die Diskrepanz zwischen gesungenen und gesprochenen Passagen wird überbrückt durch das ständige Agieren der Beteiligten. Und Mozarts eigene Kritik an manchen Textpassagen legen Gags geradezu nahe. Wenn etwa Konstanze singt „Kummer ruht in meinem Schoß“ (und Mozart darauf verwies, daß dies doch ein schiefes Bild sei), dann spielt Grit Herzberg eine offensichtlich von Bauchkrämpfen geplagte, in ihrer Überfeinerung lebenuntüchtig wirkende Dame, wodurch die ohnehin maniriert wirkenden Koloraturen dieser Arie in neuem Licht erscheinen.

Bei allem Trubel auf der Bühne tritt die Musik nahezu in den Hintergrund, und die Sänger beeindrucken zum Teil mehr durch schauspielerische als durch sängerische Leistungen. Belmonte, in Shorts, Jackett und Kniestrümpfen, wirkt Safari-geeignet. Michael Gehrke läßt ihn als ungeschickten, eitlen Affen erscheinen, und dazu paßt, daß Gehrke auch im Gesang nicht ganz aus sich herausgeht.

Belmontes Diener Pedrillo dagegen ist der schicke, sorglose Dandy. Janko Zannos schauspielert exzellent, während er mit seiner sehr leichten, nicht großen Stimme Probleme hat, sich durchzusetzen. Hervorragend als Darstellerin und überzeugend mit ihrem hellen, in der Höhe strahlenden Sopran Hlìn Pétursdottir als kokette Blonde. Den meisten Applaus erhielt Jens Larsen, der mit Schwung und profundem Baß einen trotteligen, tobenden, aber symphatischen Osmin gab. Insgesamt wirkt das Personal satirisch-überzeichnet. Ausnahme: Boris Freytag verkörpert einen respektgebietenden, über den Dingen stehenden, vernünftig handelnden Bassa Selim. Ansonsten bleibt für die Darstellung innerer Konflikte kein Platz. Den plötzlichen Ernst der Handlung nimmt man am Ende den vorher so leichtfertig erscheinenden Menschen nicht mehr recht ab. Fazit: Ein netter spritziger Opernabend mit viel Tempo, in dem Aron Stiehl als Regisseur Phantasie und Witz beweist. Helga Wallschlag

Weitere Aufführungen heute, am 4., 6., 8., 10., 13., und 15. März, 20 Uhr, Musikhochschule

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