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Schüsse auf die Sauberfrau Piat

■ Frankreichs Behörden auf der Suche nach den Mördern

Paris (taz) – Hier wird es bald Granaten regnen“, hat Yann Piat in der vergangenen Woche warnend zu einem politischen Freund gesagt, der sie in ihrem Wahlkreis an der französischen Riviera besuchen wollte. Wenige Tage später war die konservative Parlamentsabgeordnete tot – ermordet mit gezielten Schüssen ins Herz. Heute wird sie im Beisein zahlreicher Pariser Politiker beerdigt. Die Ermittler durchforsten unterdessen die Mafia-Strukturen, die in den letzten Jahren in dem Dreieck zwischen Grenoble, Nizza und Marseille entstanden sind.

Yann Piat hat viele gestört – sowohl an ihrem Wohnort Hyères als auch in der nationalen Politik. Sie begann ihre politische Karriere Mitte der siebziger Jahre in der rechtsextremen „Front National“ (FN). Unter der Ägide ihres „politischen Paten“, FN-Chef Jean-Marie Le Pen, machte sie eine Senkrechtkarriere, die sie 1986 als einzige Abgeordnete ihrer Partei in das französische Parlament katapultierte. 1988 kam der Parteiausschluß: Yann Piat hatte es gewagt, eine von Le Pens Holocaust-Verharmlosungen öffentlich zu kritisieren.

Yann Piat schloß sich der konservativen UDF-PR an. Von ihren ursprünglichen Positionen hat sie sich nicht weit entfernt: Sie gehörte stets zu den Abgeordneten, die die Wiedereinführung der Todesstrafe und eine starke Polizei verlangten. Sie war Mitglied der ersten parlamentarischen Kommission über das Eindringen der Mafia nach Frankreich und Mitautorin des Weißbuches über den Drogenhandel.

In ihrem Wahlkreis im südfranzösischen Departement Var profilierte die 44jährige sich als Sauberfrau Nummer eins. Nach dem Vorbild der italienischen „Mani pulite“ wollte sie mit dem Organisierten Verbrechen aufräumen, das zunehmend in das Geschäft mit Spielkasinos, Yachthäfen und Ferienzentren an der französischen Riviera einsteigt – darunter die italienische Mafia, aber auch die traditionellen „einheimischen“ Chefs aus Toulon und Marseille. Im kommenden Jahr wollte die populäre Yann Piat für das Bürgermeisteramt von Hyères kandidieren.

Wenige Tage vor Yann Piats letzter Wiederwahl ins Parlament wurde im März vergangenen Jahres der einflußreichste Pate des Departements Var, Jean-Louis Fargette, in Italien erschossen, wohin er Jahre zuvor vor einem Haftbefehl der französischen Justiz geflohen war. An Fargettes Grab waren die ersten Racheschwüre gegen die Politikerin zu hören. Seither bekam sie mehrfach Todesdrohungen.

Das Attentat vom vergangenen Freitag trägt die Handschrift professioneller Killer, daran hegen die Ermittler keine Zweifel. Die Täter haben jedoch ein paar technische Fehler begangen, ein paar kleine Spuren hinterlassen. Die „große“ italienische Mafia erscheint den Ermittlern deswegen als Auftraggeberin immer unwahrscheinlicher – sie vermuten die Verantwortlichen im einheimischen Milieu. Dorothea Hahn

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