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„Im Sinne von 1917“

Mexiko: Verhandlungen zwischen Zapatistas und Regierung sind zu Ende / Indianer-Gemeinden müssen noch zustimmen  ■ Aus Mexiko-Stadt Anne Huffschmid

Ein Platz im Guinness-Buch der Rekorde sollte Mexiko in einer möglichen Rubrik wie „Guerilla-Management“ eigentlich gewiß sein: Nur 60 Tage nach der Kriegserklärung der „Zapatistischen Nationalen Befreiungsarmee“ (EZLN) wurde am Mittwoch der gierigen ReporterInnenschar die definitive „Friedensformel“ vorgestellt – und das offensichtlich in beiderseitigem Einvernehmen der Verhandlungsgegner von EZLN und Regierung.

Zwar haben die nationalen „Demokratie-Forderungen“ der Zapatistas keinen Eingang in das 34 Punkte umfassende Dokument gefunden. Zwei weitere Kernforderungen der Zapatisten aber konnten wenigstens im Ansatz erfüllt werden. In den noch zu verabschiedenden Gesetzen zum reformierten Verfassungsartikel 4 – in dem vergangenes Jahr zum ersten Mal der „pluriethnische“ Charakter des Landes explizit anerkannt wurde – soll nach Vorstellung der Zapatisten die indianische Selbstverwaltung verankert werden, „nach Art der Katalanen in Spanien“, aber keinesfalls als „Indianerreservate“ nach US-amerikanischem Vorbild. In einem „Gesetz über die Rechte der Indianischen Gemeinden“ sollen die traditionellen indianischen Instanzen und Kulturen rechtlich anerkannt und soll so der Forderung nach indianischer Partizipation und Autonomie nachgekommen werden.

Noch delikater war erwartungsgemäß die Frage der tierra, des Landbesitzes, und damit das Tauziehen um den vor zwei Jahren „reformierten“ Artikel 27 des mexikanischen Grundgesetzes: Darin waren bei der Revolution 1917 der kollektive Landbesitz und die Zerschlagung der Latifundienwirtschaft festgelegt worden. In seiner „modernisierten“ Version öffnet der Paragraph seit Anfang 1992 dem privaten Kapital Tür und Tor zum ehemals unveräußerlichen indianischen ejido-Besitz. Das bedeutete faktisch den Stopp der Landverteilung.

Jetzt soll, ohne die umstrittene Gegenreform von 1992 direkt anzutasten, in einem „Gesetz über die Agrarjustiz in Chiapas“ der zapatistische Geist wiederbelebt werden: Auf Basis eines gründlichen Agrarzensus sollen „versteckte Latifundien“ ausfindig und aufgelöst werden, soll die blockierte Landverteilung vorangetrieben und der Familien- und Gemeindebesitz explizit geschützt werden. Vorgesehen sind außerdem – in Fristen von jeweils zwei oder höchstens drei Monaten – konkrete Vorschläge für ein neuartiges Antidiskriminierungsgesetz, die Reform der Justizverwaltung, die Ausarbeitung und Abstimmung eines neuen Landeswahlgesetzes und die Revision des Landesstrafrechts.

Unkomplizierter als die rechtlich-politischen Fragen waren in San Cristóbal offensichtlich die sozialen Forderungen der aufständischen Indianer über die politische Gesprächsbühne gegangen. Schon in den ersten Tagen hatten Marcos und Camacho in den abendlichen Pressekonferenzen mitgeteilt, daß die Forderungen nach verbesserten Gesundheits- und Bildungseinrichtungen – so beispielsweise die Einrichtung eines obligatorischen zweisprachigen Unterrichtes – sowie verbesserter Infrastruktur bei Strom, Wegen und Wohnungen und ein gezieltes Ernährungsprogramm für die größtenteils unterernährten indianischen Kinder „abgehakt“ werden konnten.

Schutz der Ressourcen und indianische Autonomie

Auch der Schutz indianischer Kultur, die besondere Förderung von Bäuerinnen und indianischen Frauen, der Arbeitsschutz, der Schutz der Naturressourcen und Strategien gegen mögliche Nachteile der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta für die Region schienen nach einer knappen Woche „Geheimverhandlungen“ weitgehend festzustehen.

Beide Seiten allerdings verfügen bekanntlich nur über ein Verhandlungs-, nicht aber über ein Entscheidungsmandat. Dieses zu erlangen dürfte sich für den Regierungsunterhändler einfacher darstellen als für die Guerilla-Delegierten: Während Manuel Camacho Solis nur den Segen des Präsidenten Salinas einholen muß, stehen die EZLN-Vertreter vor der Aufgabe, den Gemeinden im lacandonischen Regenwald den Nutzen des vereinbarten Paketes zu erläutern. Schließlich habe man dort, so Marcos, schon den Kriegsbeginn strikt „demokratisch“ abgestimmt, entsprechend müsse eine mögliche Befriedung beschlossen werden. Und das wird nicht einfach sein: Nach Darstellung des Subcomandante seien die eigenen Leute aufgrund der schlechten Erfahrungen mit „leeren Versprechungen“ derart radikalisiert, daß man sie kaum vom Sinn eines Dialoges – gegen den Begriff „Verhandlungen“ hatten sie sich energisch gewehrt – hatte überzeugen können. Ihre Waffen würde die Zapatistenarmee jedenfalls niemals „für einen Haufen Papier“ niederlegen.

Noch vor Ablauf dieses Monats sollen Vertreter des offiziellen und des subversiven Lagers nach San Cristóbal zurückkehren und ihre ermächtigende Unterschrift unter das „historische“ Papier setzen.

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