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EG Umweltrecht – nein danke

■ Der niedersächsischen Landesregierung sind EG – Richtlinien fremd. Genehmigungsverfahren für Sondermüllverbrennungsanlagen werden nach dem Prinzip Ahnungslosigkeit vergeben.

Die Chemiefirma Riedel de Häen aus Seelze bei Hannover gehört zwar nicht zu den größten, wohl aber zu den bekanntesten Unternehmen der Branche. Bekannt ist der Betrieb jetzt auch bei der EG-Kommission in Brüssel, nachdem sich eine betroffene Bürgerin nicht mehr anders zu helfen wußte und dort Beschwerde gegen die Baupläne einer Sondermüllverbrennungsanlage auf dem Betriebsgelände einlegte.

„Das war für uns die letzte Möglichkeit, ein unabhängiges Gremium zu erreichen“, erläutert Hannelore Schauer von der Bürgerinitiative Garbsen (BIG) ihren Schritt. „In Niedersachsen ist der Filz unvorstellbar, ob Umweltministerium, Bezirksregierung oder der Ministerpräsident – sie alle haben mit Riedel gemeinsame Sache gemacht“.

Der Streit, um den es geht, begann vor fast fünf Jahren. 1989 stellte die Chemiefirma einen Genehmigungsantrag für den Bau einer „Reststoffverwertungsanlage“ bei der Bezirksregierung Hannover. Zwei Jahre später kam der positive Vorbescheid – und damit die rechtlich verbindliche Möglichkeit, den Hauptantrag zu stellen.

„Das war eine Farce“, sagt Ingeborg Hoppmann von der Bürgerinitiative, denn: „Riedel de Häen hat sich bei der Antragstellung auf das Bundesimmissionschutzgesetz bezogen und konnte so das strengere Richtlinien fordernde Abfallgesetz umgehen.“ In der Tat regelten zum Zeitpunkt des Antrags zwei bundesdeutsche Gesetze die Genehmigungsverfahren für Verbrennungsanlagen: Das Abfallgesetz und das Bundesimmissionschutzgesetz

. „Wir haben den Antrag nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gestellt, weil es sich um die Verbrennung der firmeneigenen Produkte auf firmeneigenem Gelände handelt“, erklärt Eike Begemann, Leiter der Ingenieurtechnik bei Riedel de Häen. Dieses Gesetzs sah damals keine Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) der Anlage vor, während das Abfallgesetz die strikte Durchführung eben dieser Prüfung fordert. Beiden Gesetzen übergeordnet jedoch war seit 1988 die EG-Richtlinie 85/337/EWG. Diese 1985 erlassene Richtlinie, bereits seit dem 3. Juli 1988 in der Bundesrepublik Gesetz, läßt den Bau von Verbrennungsanlagen ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung nicht zu. Der von der Bezirksregierung erlassene Vorbescheid entsprach somit 1991 längst nicht mehr den EG-Bestimmungen, der Antrag an sich hätte so nicht angenommen werden dürfen.

„Gegen diesen Vorbescheid habe ich dann in Hannover geklagt“, erklärt Hannelore Schauer. Die Klage, die beim Verwaltungsgericht Hannover einging, brachte keinen Erfolg. Das Gericht erkannte den Vorbescheid an,Hannelore Schauer mußte die bittere Pille schlucken.

Da bei der Verbrennung und Rückgewinnung der halogenierten Kohlenwasserstoffe Dioxine und Furane freigesetzt werden können, erhofften sich die Mitglieder der BIG Unterstützung von ganz oben. „Herr Schröder hat uns Hilfe zugesichert, die allerdings sah dann so aus, daß er am Tage der Urteilsverkündung zufällig bei Riedel war. Er ließ uns über die Presse die Nachricht zukommen, es sei aussichtslos, noch etwas zu unternehmen.“

Während des Prozesses hatten Hannelore Schauer und Ingeborg Hoppmann, ebenfalls von der BGI, Einsicht in die Akten.“Da wurde uns klar, was gespielt wird“, sagt Schaumann. Der schriftliche Briefwechsel zwischen dem Umweltministerium und der Bezirksregierung habe klar erkennen lassen, daß „die Anweisung für die Genehmigung aus dem Umweltministerium kam“, so Hannelore Schauer.

„Ein unglaublicher Vorwurf“, antwortet Uta Kreutzenbeck aus dem Umweltministerium. „Wir haben damals nach deutschem Recht gehandelt – die EG-Richtlinie war noch nicht in der hiesigen Gesetzgebung verankert.“ Zwar seien die EG – Richtlinien im Ministerium bekannt gewesen, aber: „Die Bezirksregierung ist eine selbstständige Genehmigungsbehörde und arbeitet in eigener Regie“, so Uta Kreutzenbeck.

Die Rolle des Ministeriums bleibt dennoch im Dunkeln. Nach Meinung des Oeko-Instituts in Darmstadt, mit dem Fall Riedel de Häen seit vier Jahren vertraut, hätte das Umweltministerium merken müssen, daß EG-Recht bei der Antragsstellung umgangen wird. „Die EG-Richtlinie war bereits 1988 direkt wirkendes Recht, auch ohne Umsetzung im Parlament“, so Peter Küppers vom Oeko-Institut.

Auch der Umweltaspekt spricht gegen den positiven Vorbescheid: „Diese Anlage darf aufgrund der offensichtlich unzureichenden Qualifikationen der Antragsteller auf keinen Fall gebaut werden“, heißt es in einem Gutachten von Michael Braungart, Leiter des EPEA Umweltinstituts in Hamburg und Ehemann der Umweltministerin. Seine Worte scheinen indes auf taube Ohren zu stoßen. Riedel de Häen hat bereits die mündliche Zusage des Wirtschaftsministeriums für einen Zuschuß in Höhe von vier Millionen Mark – aus dem Öko-Fond des Landes. Weitere vier Millionen kommen von der „Deutschen Bundesstiftung Umwelt“

„Es ist ein Unding, daß eine Anlage, die bei der Verbrennung über 45.000 verschiedene Dioxine freisetzt, Geld aus Öko-Fonds erhält“, sagt Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND. Bei Riedel de Häen gibt man sich inzwischen kooperativ. „Wir wollen auf jeden Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen“, erklärt Eike Begemann. Ganz so freiwillig scheint die Geste nicht: Inzwischen hat die EG-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet.

Vlad Georgescu

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