Ehrenwort für die Hamburger Hafenstraße

■ Hamburgs Bürgermeister Voscherau: Auf mein Wort ist Verlaß / Rücknahme der Räumungstitel bei Friedfertigkeit / Probe aufs Exempel steht kurz bevor

Hamburg (taz) – „Voscherau ist ja nicht ganz doof“ – erste Reaktionen aus der Hafenstraße an die Adresse von Hamburgs Bürgermeister. Trotzdem, die BewohnerInnen des Hafenrands bleiben mißtrauisch: Ist des Bürgermeisters Erklärung, er werde ihnen bei Wohlverhalten noch eine Chance einräumen, auch in ein paar Monaten noch etwas wert, fragen sie sich derzeit. Voscherau antwortete am Mittwoch abend vor der Hamburger Bürgerschaft darauf mit einem klaren Ja.

Wenn die Bewohner die Bebauung des Nachbargrundstücks friedfertig hinnehmen und den neuen Mietern gute Nachbarn werden, stehe er zu seinem Wort und verzichte auf die Räumungstitel, betonte er vor dem Landesparlament. Geschichte wiederholt sich: Es ist das zweite Mal, daß ein Hamburger Bürgermeister für die Hafenstraße sein Wort in die Waagschale wirft. Schon 1987 hatte Amtsvorgänger Klaus von Dohnanyi sein Ehrenwort für einen Pachtvertrag gegeben, sofern die Hafenstraße zuvor die Straßenbarrikaden abräume. Voscherau, den dieser Akt damals derart verärgert hatte, daß er sogar sein Amt als SPD-Fraktionsvorsitzender zurückgab, tritt nun in dieselben Fußstapfen.

Eine weitaus schwierigere Aufgabe, diese „Probe aufs Exempel“, die Voscherau der Hafenstraße heute abverlangt. Sie birgt tückische Fußangeln, auf die GAL- Fraktionsvorsitzende Krista Sager den Bürgermeister hinwies. „Wir wissen doch, daß in der Stadt etliche Leute ein brennendes Interesse daran haben, daß dieser Versuch scheitert“, so Sager, „aber Sie schieben das Risiko alleine der Hafenstraße zu.“ Ihre boshafte Frage: „Oder liegt diese Variante etwa im Kalkül des Bürgermeisters?“

Ein Problem, zu dem die BewohnerInnen bislang schweigen. Eine Zusage für künftiges Wohlverhalten gibt es – kaum verwunderlich – nicht. „Was heißt denn auch Friedfertigkeit?“ fragt man sich dort vielmehr, „Voscherau will uns doch nur jede Form von Protest verbieten.“ Eines verbietet der Bürgermeister in der Tat strikt: die neuerliche Debatte über die Art der Baulückenbebauung. Keine Chance für das Genossenschaftsprojekt mit Stadtteilhalle, Volxküche und öffentlichem Badehaus, das die Hafenstraße monatelang gemeinsam mit den St. PaulianerInnen entwickelt hatte, für das sich sogar stadtbekannte Millionäre wie Jan Phillip Reemtsma und Immobilien-Großbesitzer Robert Vogel stark machen. Voscheraus klare Absage: „Kein Diskurs über Grundstücke Dritter oder neue Planungskultur.“ Die Hamburger Bürgerschaft folgte ihm: Sie segnete am Mittwoch abend den neuen Bebauungsplan für St. Pauli ab. Damit steht der Baubeginn für die städtischen Sozialwohnungen kurz bevor. Und die „Probe aufs Exempel“. Sannah Koch