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Parolen, Klischees, Lücken

■ Der Frauenstreiktag auf dem Hamburger Rathausmarkt / Die lila Szene bleibt vorläufig unter sich / Von Uli Exner

Dieser Zuspruch ist bitter nötig: „Der Mann wächst an seiner Aufgabe“. Der Winzling auf dem Poster der „Frauen in der IG Metall“ quält sich ungelenk am Bügeleisen. Der taz-Reporter (ohne Hemd) an einem Bericht über die Großveranstaltung auf dem Rathausmarkt. Frauenstreiktag. Stift statt Bügeleisen. Was kann mann da alles falsch machen! Abokündigungen, wütende Leserinnenbriefe, Müllberge vor der taz-Tür. Alles dagewesen.

Fängt doch schon an mit dem Begriff „Großveranstaltung“. „20.000 gehen in Hamburg auf die Straße“, titelte die Morgenpost schon am Vortag. Und nun? Sind es 500? 600? 700, die sich auf dem Rathausmarkt verteilen? Die sich in die sechs kleinen Zelte ducken, in denen MutterCourage, das Streikkomitee, Frauen- und Lesbeninitiativen informieren, in denen Peggy Parnass und Jutta Heinrich lesen. 2000 TeilnehmerInnen meldet die Streik-Pressestelle am späten Nachmittag.

„Informationsdefizit“. Für Christine Thimm und Silke Gelau vom Projekt Hamburger Lebenshilfe eine Erklärung dafür, daß engagierte GewerkschafterInnen, Feministinnen, daß die Frauen-Szene fast unter sich bleibt auf dem Rathausmarkt: „Die Öffentlichkeitsarbeit hätte schon etwas ausführlicher sein dürfen.“

Frauen, die nicht in Lederjacke, bunter Baumwolle, mit Button, Flugblatt, lila Luftballon, per Fahrrademo oder Mini-Demo zum Rathausmarkt gekommen sind, hetzen vorbei. Gesicht nach unten. Schnell weg. „Interessieren Sie sich nicht für den Frauenstreik?“ „Ich sage bestimmt nichts.“ Ganz schnell weg.

„Ich kann mir vorstellen, daß manche Parolen abschrecken - einen Tag nicht lächeln.“ Monika, Mitarbeiterin im Frauenprojekt Baff vermißt „die positive Frauendarstellung statt des negativen Männerbilds“.

Lautsprechergeschepper, steife Reden, Floskeln, Appelle, Wahrheiten: „täglich werden Frauen angegriffen, vergewaltigt ...“ „wir von der Hausfrauengewerkschaft fordern ...“, „der Kampf der Männer um den Erhalt ihrer Vorherrschaft ...“, „das Patriarchat ....“, „der Sexismus ...“. Schreckt das?

Widerspruch. „Viele Frauen können doch von ihrem Arbeitsplatz nicht weg, erklärt Sabine vom Stadtteilkulturzentrum St.Pauli. Dazu: die übliche Politik-Müdigkeit, zu beobachten auf allen politischen Veranstaltungen. Die gängigen, immer wieder reproduzierten Klischees von der Frauenbewegung. Ist es das?

Zwei Männer nähern sich dem Rathausmarkt. Blaue Hose, blauer Parka, einmal mit, einmal ohne Bauch. Peilen die Lage. Bloß nicht zu nah rangehen. Schütteln den Kopf: „Komm' Jens, da gehn wir lieber zu Karstadt, da haben wir mehr davon“.

Informationsdefizit, Parolen, Klischees einer Männergesellschaft. Haben wir alles? Kerstin Domscheit, streikende Pressesprecherin der GAL, macht Mut zur Lücke: „Mann muß doch auch merken, daß heute was fehlt.“

Eben.

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