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Kaspar Hausers ABC

■ Ein Stück über Macht und Ohnmacht der Sprache: „B is A in Bubbels“ hatte Premiere am Bremer MOKS-Theater

„Ich will so werden wie Du, dann kannst Du mir nicht mehr weh tun.“ Ein Satz, den Kinder zu ihrer Mutter sagen könnten, SchülerInnnen zu ihren LehrerInnen, Unterdrückte zu ihren HerrschInnen. In dem Theaterstück „B is A in Bubbels“ des Belgiers Willy Thomas, einer Kaspar Hauser Geschichte, spielt dieser Wunsch eine entscheidende Rolle. Das Mädchen B, auch Billabappel-linde genannt, wird gehalten wie ein Hund. Die Angleichung an ihre Herrin, das Mädchen A, ist ein erster Schritt zur Befreiung.

Das Zwei-Frauen-Stück in der Inszenierung von Nicole Kaminsky wird derzeit im MOKS für Kinder ab zehn Jahren und Erwachsene aufgeführt. Es geht um Macht, Ohnmacht und Sprache. Bubbeln ist eine Kinder- und Fantasiesprache, mit der sich das Mädchen A seine eigene Welt schafft. Sie ist die Königin vom Bubelsch und vom Bibbelland, in dem gebibbelt wird, und Bellebabbelinde ist ihr Hund. Das etwa gleichaltrige, sprachlose Mädchen B, ein Findelkind wie einst Kaspar Hauser, macht sie in diesem Reich völlig von sich abhängig.

Nicht in einem märchenhaften Königreich, sondern inmitten der Schrottkulisse von Stephen Lambert und Thomas Kallin turnen die Schauspielerinnen Eva Wilde und Tanya Häringer herum. Über Milchkannen, Ölfässer, Ofenrohre, Zeitungsreste und Wellblechplatten. Im Mittelpunkt aber stehen Sprache und Geräusche. A droht ständig: „Dazu bist zu dumm. Wissen kann man nicht lernen.“ Den winselnd-kriechenden Menschenhund weist die „Königin des ABC“ zudem mit einem Stock in seine Grenzen. Schlimmer noch: A stülpt B immer wieder eine Stöpselkappe über die Ohren. Sie verbietet der Untertanin die Sprache, um selbst die Schlauste zu bleiben.

B indes, vom Wort abgeschirmt, findet Ersatz für Sprache. Sie kann hundert Laute nachahmen, weinen wie ein Hund, zilpen wie ein Vogel, heulen wie der Wind. „Mein Körper macht Musik, aber unter meinen Händen kribbelt es, als ob etwas raus wollte“, heißt es im Prolog. Doch schon bald wird das Kräftespiel in Thomas' 60-Minuten-Stück gekippt. Eine Wende kündigt sich in Zeitlupe an: Die Gedemütigte tritt zu, bis die Herrin mit zersplittertem Schienbein am Boden liegt, verletzt und auf Hilfe angewiesen; das Bibbelreich stürzt zusammen.

Während Eva Wilde als A bei der Premiere in Nicole Kaminskys Inszenierung immer blasser wurde, war es Tanya Häringer, die mit ihrer spielerischen Variante des Kaspar-Hauser-Motivs überzeugte. Anfangs schleicht sie, mit Eulenspiegelmütze und Ohrenkappe ausgestattet, als B katzengleich durch die Schrottcollage, bellt, jault, läßt sich von dem Mädchen mit Pelzkragen, Stiefeln und Peitsche demütigen. Nach der Wende dann zeigt Tanya Häringer, wie schwer es ist, so spät noch sprechen zu lernen. Körperliche Qual bereitet es ihr, die Buchstaben herauszuwürgen. Ihr Mund tut weh vom ständigen Üben. Sie hat „Mundschmerzenschmerzenschmerzen“, bis die kindliche Freude über die ersten Wörter siegt.

Am Ende ist die verwandelte B nicht mehr „der Hund der Königin, ihr Vögelchen, ihr Musikant, ihr Tisch, ihr Stuhl, ihre Heul- und Streichelpuppe, ihr Wasser- und Essenbringer“. B ist ein Mensch. Und „B is A in Bubbels“ ist Theater, das Erwachsene nachdenklich und Kinder zufrieden macht.

Sabine Komm

Die nächsten Vorstellungen (im Brauhaus): heute um 19.30 Uhr; 15. bis 17.3. jeweils 10.30 Uhr

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