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SanssouciVorschlag

■ Benny Bailey Quintet im Quasimodo

An einem Freitag, am 20. Februar 1948, um ganz genau zu sein, verändert ein Konzert das Nachkriegs-Europa: das siebzehnköpfige Dizzy Gillespie-Orchester spielt im Salle Pleyel – der Bebop erobert Paris. Neben Kenny Clarke, Cecil Payne und John Lewis ist auch Benny Bailey dabei. Der Bailey mit der perfektesten Technik auf der Trompete, soweit Quincy Jones weiß. Der Bailey, der mit Charles Mingus und Jay McShann spielte, der 1949 mit Lionel Hampton erneut in Europa ist und blieb und zurückging, um wiederzukommen. Der Bailey, der in Schweden lebte, in Italien, der Schweiz und in Berlin. Der mit Les McCann und Eddie Harris in Montreux „Compared to what“ aufnahm und mit Dexter Gordon „Sophisticated Giant“. Der zu einem Amerikaner in Europa wurde, wie Don Byas, Ben Webster, Lucky Thompson, Carmell Jones und Leo Wright auch.

In den fünfziger Jahren war Europa wild auf Jazz, auf Bebop und Swing, und hier gab es jene Auftrittsmöglichkeiten und Anerkennung, die den Protagonisten im eigenen Land allzulang versagt blieben. Viele Jahre spielte Bailey in den Radiorchestern von Werner Müller und Max Greger – „wie ein Beamter“, resümiert er heute, aber die Familie mußte ernährt werden. In den achtziger Jahren versuchte Benny Bailey noch mal sein Glück in New York. Leitete dort mit Charlie Rouse das Quintett Upper Manhattan Jazz Society, spielte noch einmal mit den besten Musikern seiner Generation und kam zurück. Nach Berlin. Weil das Geld nicht mal reichte, um die Miete zu zahlen.

Selbst Max Roach muß in New York unterrichten, um überleben zu können. Nichts für Bailey. Zur Zeit lebt er als Freelancer in Amsterdam. Freelancer werden jene freischaffenden Jazzmusiker genannt, die man anruft, wenn es einen Job gibt. So spielte Bailey in den letzten Jahren mit Lionel Hamptons Golden Men of Jazz oder auch mit Miles Davis in Montreux. Mal ruft Clark Terry an, mal Quincy Jones. „Dort wo ich spielen kann, bleibe ich“, ist das Motto des Vielreisers Bailey, der im nächsten Jahr 70 werden will. Und der den Blues nie verloren hat, wie er beteuert. Und der von der Freiheit schwelgt, wenn man ihn fragt. Jene Freiheit, die einem allein der Jazz biete. Christian Broecking

Morgen, um 22 Uhr, im Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg.

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