: Neuer IRA-Anschlag auf Londoner Flughafen
■ Auf Heathrow-Landebahn gefeuerte Granaten explodierten nicht / Friedensinitiativen in der Sackgasse / Adams beharrt auf direkten Gesprächen
Dublin (taz) – Die Empörung britischer und irischer Politiker über den Granatenangriff auf den Londoner Flughafen Heathrow war noch nicht verhallt, da schlug die Irisch-Republikanische Armee (IRA) erneut zu: In der Nacht zu gestern feuerte die Organisation vier Granaten aus einem 400 Meter entfernten Wäldchen auf die Landebahn Süd ab. Sie richteten zwar nur geringen Sachschaden an, weil keiner der Sprengsätze explodierte, lösten jedoch abermals ein Chaos auf dem verkehrsreichsten Flughafen Europas aus. Warum die Granaten nicht explodiert sind, ist unklar. Die Polizei verweigert jede Auskunft, weil die Angaben „für die Paramilitärs nützlich sein“ könnten.
Experten vermuten, daß die IRA-Mitglieder den Sicherheitsschaltkreis der Granaten nicht außer Kraft gesetzt haben – ob versehentlich oder mit Absicht, darüber kann nur spekuliert werden. Scotland Yard erklärte jedoch, die Granaten seien „randvoll mit Semtex- Sprengstoff“ gewesen. Der Sprecher fügte hinzu, man habe mit einem großen IRA-Anschlag gerechnet, ihn aber in der Londoner Innenstadt erwartet.
Die IRA hatte bereits am Donnerstag abend eine telefonische Warnung durchgegeben. Dennoch ließ die Flughafenverwaltung zwei Stunden später ein Flugzeug mit Königin Elisabeth an Bord in Heathrow landen.
Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams vom politischen Flügel der IRA behauptete, die Anschläge seien kein Rückschlag für den Friedensprozeß in Nordirland. „Von Zeit zu Zeit wird etwas Spektakuläres passieren, um die Welt an den Konflikt zu erinnern“, sagte er. „Ich habe immer darauf hingewiesen, daß wir vor einer schwierigen Aufgabe stehen, und der Anschlag kam mitten in einer Pattsituation. Ich fordere John Major auf, dieses Patt nun zu beenden.“ Adams verlangte die Wiederaufnahme der direkten Gespräche, die von der britischen Regierung im vergangenen Jahr abgebrochen wurden, nachdem sie drei Jahre lang unter Geheimhaltung geführt worden waren.
Damit ist freilich nicht zu rechnen – schon gar nicht nach den Anschlägen auf den Flughafen. Der britische Nordirland-Minister Patrick Mayhew bezeichnete Adams als „jämmerlichen Zyniker“. Der irische Premierminister Albert Reynolds sagte, die IRA-Aktion sei „nicht nur kriminell, sondern auch dumm und politisch naiv“. Die Sackgasse, in der die Friedensinitiativen stecken, wurde durch die Presseerklärung nach der Sitzung der anglo-irischen Konferenz am Donnerstag abend deutlich: Man werde weiterhin nach Frieden suchen, hieß es lapidar.
Zur gleichen Zeit erschoß die IRA den 33jährigen Polizisten Jackie Hagan in Nord-Belfast. Die Antwort ließ keine zwölf Stunden auf sich warten: Gestern früh töteten protestantische Paramilitärs in der nordirischen Stadt Portadown einen Katholiken mit einer Autobombe. Ralf Sotscheck
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