: Ambiente der frühen Jahre
Der SC Freiburg unterliegt unglücklich mit 0:1 auf der Baustelle Betzenberg und kämpft ab sofort gegen den Abstieg ■ Aus Kaiserslautern Günter Rohrbacher-List
Es war alles neu auf dem Betzenberg. Da traten zwei Trainer vor das Mikrofon und luden unisono ihren Ärger ab. Volker Finke, der Freiburger mit dem Brillie, war ärgerlich, „weil wir in einer Phase, als wir gut spielten, unglücklich das 0:1 gefangen haben“. Friedel Rausch mußte diplomatischer vorgehen. Grund war der Mann in Grün und Schwarz namens Manfred Führer, der das Publikum auf der Großbaustelle Betzenberg aufs ärgste provozierte. Vermeintliche Fouls an Ciriaco Sforza und Pavel Kuka, dem Neuen von Slavia Prag, blieben ungeahndet, und als Führer dann auf der Gegenseite Martin Wagner zu Recht die gelb- rote Karte zeigte, drohte der temperamentvolle Fußballkampf zu eskalieren.
Schließlich zog Polizei auf und geleitete Führer, der vielleicht Wiedergutmachung für die kürzliche Benachteiligung der Freiburger durch den Lauterer Schiedsrichter Dr. Markus Merk leisten wollte, vom Rasen zu seinem Container. Auch der war neu. Tribünendach weg, Kabinen weg, Presseraum weg, alles weg – Fußball anno 94 auf dem Betzenberg, das Ambiente der frühen Bundesliga- Jahre, als an gleicher Stelle noch die alte Holztribüne stand.
Rechtzeitig mit dem Dach der Nordtribüne verschwand auch die „Stimme vom Betzenberg“, Udo Scholz. Der 54jährige, gehaßt und geliebt, einst vom Trainer Erich Ribbeck „entdeckt“, war über finanzielle Unregelmäßigkeiten gestolpert und hatte Mitte der letzten Woche die fristlose Kündigung erhalten. Statt seiner heizen jetzt der Stadionsprecher von Mainz 05 und ein Provinz-Discjockey aus K-Town den Fans ein, doch die zogen noch nicht so recht mit.
Trotz fünf gelber Karten und einmal Gelb-Rot sahen 35.261 Zuschauer guten Fußball. Und auf Kaiserslauterer Seite hätte sich niemand beschweren dürfen, wäre der SC Freiburg als Sieger vom Platz gegangen. „Die hatten acht Auswärtsspiele lang nicht verloren, das hätte heute auch anders enden können“, sah FCK-Kapitän Andreas Brehme den Spielverlauf realistisch. Als Martin Wagner in der 41. Minute fast von der Außenlinie das Siegtor für die Pfälzer erzielte, hätten die Freiburger eigentlich schon klar führen müssen. Nur Stefan Kuntz' Schuß in der 15. Minute, den Jens Todt von der Linie schlug, hatte den SCF in Verlegenheit gebracht. Gegenüber vergaben Todt (26. Minute) und Alexander Borodjuk (28./34.) drei Chancen, die nutzen muß, wer dem Abstieg entgehen will.
Denn für die Freiburger wird es wieder eng. Nach zwei Heimniederlagen gegen den 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt beträgt der Abstand der mit Schalke 04 und Dynamo Dresden punktgleichen Südbadener zum 1. FC
Nürnberg gerade noch zwei Punkte. Auch in der zweiten Hälfte gelang den Freiburgern kein Tor, obwohl der 1. FCK nur bei Wagners Pfostenschuß in der 74. Minute dem 2:0 wirklich nahe war. Erst klärte Gerry Ehrmann, als er in der 58. Minute dem Virtuosen Rodolfo Cardoso den Ball vom Fuß grapschte. Kurz darauf war auch für Ralf Kohls Kopfball bei Ehrmann Endstation. „Tarzan“ lenkte den Ball mit einem schnellen Reflex zur Ecke.
Beide Trainer mußten auf wichtige Spieler verzichten, Freiburg auf Rraklli, Spies und Wassmer, Kaiserslautern auf Ritter, Lusch und den bereits nach 15 Minuten mit einer Wadenzerrung ausgeschiedenen Stefan Kuntz. So fiel auch das Debüt des neuen Stürmerduos Kuntz und Kuka aus, doch der Tscheche überzeugte trotzdem in seinem ersten Bundesligaspiel. „Wir haben heute wenig Glück gehabt“, dachte Pavel Kuka aber bereits an das nächste Spiel seiner Mannschaft bei Bayer Leverkusen. Etwas wehmütig erinnerte er sich an seinen alten Club Slavia Prag, dem es derzeit nach dem Ausstieg des Mäzens Boris Korbel gar nicht gut geht.
Die Freiburger versuchten, sowohl Kuka als auch Sforza den Schneid abzukaufen – fast sämtliche Fouls an ihnen blieben ohne Folge und führten dazu, daß 45 Minuten nach Spielschluß ein Polizeibus auf dem Rasen des Fritz-Walter-Stadions stand, der das grottenschlechte Schiedsrichtergespann aus dem Gefahrenbereich evakuieren sollte. Der FCK-Initiative „Fans brauchen keine Zäune“, die mittlerweile auch von anderen Clubs aufgegriffen wurde, dürfte der Auftritt des Herrn Führer und die Reaktionen des überemotionalisierten Publikums und unbeherrschter Spieler auf der Lauterer Reservebank eher geschadet als genützt haben. Stellt euch vor, der Zaun wäre weg gewesen...
SC Freiburg: Schmadtke - Heidenreich - Vogel (63. Spanring), Buric - Braun, Zeyer, Kohl, Todt, Cardoso (68. Seretes), Freund - Borodjuk
Zuschauer: 35.261; Tor: 1:0 Wagner (41.)
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