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Türkei: DEP-Abgeordneten droht die Todesstrafe

■ Haftbefehl gegen Kurden-Politiker wegen „Separatismus“ / Ministerpräsidentin Ciller gegen politische Lösung / Befürchtungen vor kurdischem Newroz-Fest

Ankara/Berlin (dpa/AP/taz) – Nach zweiwöchigen Vernehmungen hat die türkische Justiz die Verhaftung der sechs kurdischen Abgeordneten angeordnet, denen Anfang März die parlamentarische Immunität aberkannt worden war. Dies gab gestern der Oberstaatsanwalt des Staatssicherheitsgerichts in Ankara bekannt. Die Abgeordneten werden des Landesverrats und „separatistischer Umtriebe“ verdächtigt – eine Standardformulierung zur Bekämpfung kurdischer Stimmen. Darauf steht die Todesstrafe. Die fünf Abgeordneten der Partei der Demokratie (DEP) und ein unabhängiger kurdischer Abgeordneter befanden sich bis jetzt ohne Haftbefehl in polizeilichem Gewahrsam.

Die türkische Regierung wirft der DEP vor, „der verlängerte Arm“ der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) zu sein. Die PKK kämpft seit 1984 als bewaffnete Bewegung um einen unabhängigen kurdischen Staat. Am vergangenen Wochenende hatte die PKK der türkischen Regierung ein Friedensangebot unterbreitet, das die Regierung jedoch rundheraus ablehnte – im Einklang mit dem Generalstab der Armee setzt Ministerpräsidentin Tansu Ciller nur noch auf das Militär. Zu der „politischen Lösung“ des Kurdistan- Konfliktes, die von einigen europäischen Staaten gefordert wird, sagte die Politikerin, sie wisse nicht, „was damit gemeint ist“.

Gestern erklärte Ciller in Ankara, die kurdischen Abgeordneten hätten jetzt die Möglichkeit, „sich vor der unabhängigen Justiz von den gegen sie erhobenen Vorwüfen zu befreien“. Sie könnten jetzt beweisen, daß sie keine Terroristen in ihren Dienstwohnungen versteckt und die PKK nicht unterstützt haben. Das bedeutet eine Umkehrung der Beweislast, eine Aufhebung aller gängigen Rechtsgrundlagen.

Mit dem Haftbefehl für die DEP-Abgeordneten verschärft sich das politische Klima kurz vor dem kurdischen Neujahrsfest Newroz am 21. März noch weiter. Schon in den vergangenen Jahren war es bei den Newroz-Feierlichkeiten in Kurdistan zu heftigen Auseinandersetzungen mit türkischen Militärs gekommen.

Deutsche FriedensaktivistInnen wollen daher zu Newroz in die Türkei reisen, um durch ihre Präsenz die kurdische Bevölkerung vor möglichen Übergriffen zu schützen. Wie die Europaabgeordnete der Grünen, Claudia Roth, gestern in Bonn bekanntgab, werden sich etwa 350 Deutsche an der Solidaritätsaktion beteiligen, darunter Bremens Ausländerbeauftragte Dagmar Lill und der Schriftsteller Günter Wallraff. Bei dem Besuch wollen sie auch beobachten, ob die türkischen Militärs deutsche Waffen einsetzen.

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