piwik no script img

Todesurteile gegen Islamisten in Kairo

Neun Mitglieder einer militanten islamistischen Gruppe wurden wegen Beteiligung am gescheiterten Attentat auf den ägyptischen Ministerpräsidenten zum Tode verurteilt  ■ Aus Kairo Karim Al-Gawhary

Kairo (taz) – Sieben Wochen dauerte der Prozeß vor einem Kairoer Militärgericht. Gestern wurden neun Männer für den Anschlag auf den ägyptischen Ministerpräsidenten Atif Sidki zum Tode verurteilt. Fünf weitere erhielten Gefängnisstrafen bis zu 15 Jahren, einer wurde freigelassen. Sechs Angeklagte wurden in Abwesenheit verurteilt.

Beim dem Attentat letzten November war ein Auto mit Sprengstoff neben dem Konvoi Sidkis gezündet worden. Ein Schulmädchen kam ums Leben, der Ministerpräsident blieb unverletzt.

Mitglieder der Gruppe in Afghanistan ausgebildet

Die jetzt Verurteilten werden der militant-islamistischen Gihad- Gruppe zugerechnet, die sich bei ihren Anschlägen auf hohe Politiker konzentriert. Die Gruppe erklärte sich letztes Jahr auch für zwei fehlgeschlagene Attacken auf den Innen- und Informationsminister verantwortlich. Gihad werde diese Politik fortsetzen, bis ein islamischer Staat etabliert sei, verkündete el-Sayyad Salah Suliman, einer der Verurteilten.

Auf einer im Prozeß bekanntgewordenen Todesliste stehen unter anderen der Innen-, Außen-, Informations- und Agrarminister, der Botschafter Israels, auch andere Personen des öffenlichen Lebens, darunter Schauspieler und Theaterdirektoren.

Suliman sagte aus, daß der Anschlag von einer Untergruppe des Gihad namens Gund Allah – Soldaten Gottes – ausgeführt wurde. Manche seien in Afghanistan ausgebildet worden und dann in den Jemen gegangen, um sich an leichten Waffen, Sprengstoff und Zeitzündern als Stadtguerilleros zu üben. Anschließend seien sie mit falschen Papieren nach Ägypten zurückgekehrt, wo sie jetzt in kleinen Gruppen operieren. Angeblich sollen sie unter dem Befehl Ayman Al Zawahiris stehen, eines der Gihad-Kommandanten, der erst vor kurzem von Afghanistan in die Schweiz umgesiedelt ist.

Kurz vor dem Prozeß, der Ende Januar in einer Militärkaserne begann, unterlief der Polizei ein schwerer Fehler. Der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, ein Autohändler im Norden Kairos, war nicht bewacht worden und wurde in seinem Laden erschossen. Er hatte das für den Anschlag benutzte Auto verkauft und der Polizei später Hinweise gegeben, die zur Ergreifung der Täter führten. Im Prozeß zweifelte die Verteidigung die Neutralität des Gerichtes an, da auch der Richter auf einer der Todeslisten steht. Sie forderte, den Fall vor einem zivilen Gericht zu verhandeln, da die Angeklagten Zivilisten seien. Doch ohne Erfolg. In den letzten Jahren werden immer mehr Fälle von Zivilgerichten an Militärgerichte übergeben. Ägyptische Menschenrechtsorganisationen betrachten diese Entwicklung mit Sorge. Sie sprechen den Militärgerichten die richterliche Kompetenz ab.

Einer der Schauspieler, der auf der jetzt bekanntgewordenen Todesliste steht, ist der populäre Komiker Adel Imam. Diese Woche lief sein neuer Film „Der Terrorist“ in zehn Kairoer Kinos an. In einer für ihn ungewöhnlichen Rolle spielt er darin den Bruder Ali, Mitglied einer militanten islamistischen Gruppe, der von seinem Führer einer Gehirnwäsche unterzogen wird. Danach bekommt er den Auftrag, Anschläge auf Videoläden, Touristenbusse und Offiziere auszuführen. Als er im Anschluß an ein Attentat bei einem Autounfall verletzt wird, nimmt ihn eine „verwestlichte“ ägyptische Arztfamilie auf. Und dort gerät seine Ideologie ins Wanken.

Der Film will nicht nur das enge Weltbild der Militanten, sondern das der ganzen Gesellschaft in Frage stellen, erklärte Drehbuchautor Al-Armli. Ausgelöst durch den „erzieherischen“ Film, hat in Ägypten eine öffentliche Diskussion über die Ursachen islamistischer Militanz begonnen. Es ist der erste großangelegte Versuch, den militanten Gruppen mit mehr als Polizei und Armee entgegenzutreten. Jede der schwer bewachten Vorstellungen war ausverkauft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen