: Wieder deutsche Panzer in Türkisch-Kurdistan?
■ Beobachter wollen Leopard- und NVA-Panzer beim Zerstören von Dörfern gesehen haben / medico international widerspricht Version vom „ruhigen Newroz“
Berlin (taz) – Entgegen Angaben von einem ruhigen Verlauf des kurdischen Neujahrsfestes Newroz im Südosten der Türkei berichten medico international und das Koordinationsbüro Newroz 1994 von Angriffen türkischer Militärs. Dabei sollen auch deutsche Panzer eingesetzt worden sein. Unter Berufung auf Augenzeugen meldeten beide Organisationen gestern, Leopard-Panzer und NVA-Panzerfahrzeuge des Typs BTR 60 seien in dem Gebiet Hazro bei der Zerstörung von Dörfern beobachtet worden. Als Quelle geben sie BeobachterInnen an, die zu Newroz in die Region gereist waren. Sie sollen Fotos und Videoaufnahmen gemacht haben, die sich gestern jedoch noch in Kurdistan befanden.
Das Koordinationsbüro berichtete von „großangelegten Militäraktionen in den Gebieten Erzurum, Hakkari und Cizre“. Andere Beobachter halten die Angaben jedoch für übertrieben und weisen darauf hin, daß die rund 150.000 zusätzlich nach Türkisch-Kurdistan entsandten türkischen Soldaten die Region weitestgehend kontrollieren. In der als Hochburg der „Kurdischen Arbeiterpartei“ (PKK) geltenden Stadt Cizre hatte das türkische Militär am Montag eine protürkische „Newroz-Feier“ inszeniert. Ähnliche Jubelparaden wurden auch aus Diyarbakir gemeldet. In der Region Diyarbakir sollen nach Angaben des türkischen Menschenrechtsvereins IHD in den vergangenen Tagen etwa 500 Personen verhaftet worden sein. Am Montag stürmten Militärs eine Wohnung und erschossen zwei angebliche PKKler. Festnahmen von KurdInnen werden auch aus dem Westen der Türkei gemeldet. Allein in Istanbul sollen am Sonntag 250 Personen verhaftet worden sein.
Derzeit halten sich rund 300 AusländerInnen in Türkisch-Kurdistan auf, um die Newroz-Feiern und die für Sonntag angesetzten türkischen Kommunalwahlen zu beobachten. Zahlreiche von ihnen wurden jedoch von türkischen Militärs in Hotels festgesetzt oder dürfen sich nicht frei bewegen. Der Vertreter von medico international in Diyarbakir, Martin Glasemapp, berichtete gestern gegenüber der taz, zwei türkische Begleiter einer Delegation, der Übersetzer Ali Kort und der Journalist Zeinal Kaarak, seien von Militärs verschleppt worden.
In der Bundesrepublik blockierten gestern Kurden mehrere Autobahnen, um gegen die deutsche Unterstützung der Türkei zu protestieren. Zuvor hatte Innenminister Manfred Kanther die Ausweisung gewalttätiger KurdInnen in die Türkei angekündigt. Zwar käme eine Ausweisung im Falle einer drohenden Todesstrafe nicht in Frage, wohl aber bei einer bevorstehenden Inhaftierung. taud
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