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Kanther militant, Kurden friedlich

Bundesinnenminister will Abkommen für Abschiebung mit der Türkei / Kurden besetzen Kirche und FDP-Büro in München / Zweite Frau nach Selbstentzündung gestorben  ■ Aus Bonn Hans Monath

Innenminister Manfred Kanther will sicherstellen, daß aus Deutschland abgeschobene Kurden ihre Haftstrafen in der Türkei bei lebendigem Leibe verbüßen können. Er strebe ein völkerrechtliches Abkommen an, in dem sich Ankara verpflichte, „daß aus Deutschland abgeschobene Gewalttäter nicht wegen der vorangegangenen Taten in der Türkei mit dem Tode bestraft werden“, sagte Kanther gestern. Mit einem solchen Abkommen könne man das deutsche Ausländerrecht „viel intensiver“ anwenden. Er glaube, daß Ankara eine solche Zusage auch einhalten würde. Die Militanz der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sei so hoch, „daß sie ihre eigenen Frauen verbrennen“.

Während die innenpolitische Auseinandersetzung um die Kurden somit nichts von ihrer Militanz verlor, bedienten sich kurdische Aktivisten gestern gewaltfreier Protestmittel. Am Morgen besetzten rund 50 Kurden in München die FDP-Landeszentrale und die Matthäuskirche. Nach Angaben der Polizei wurden die Demonstranten in die Räume eingelassen, die Aktionen verliefen völlig gewaltfrei. Die Kurden, die ihre Aktion am Nachmittag beendeten, kündigten weitere Besetzungen an. Mm Mittwoch abend wurde bekannt, daß auch eine zweite Kurdin ihren Verletzungen erlegen ist. Die beiden Frauen hatten sich am Tag zuvor in Mannheim selbst in Brand gesteckt.

Für die Ausschreitungen und Gewalttaten der vergangenen Tage machten gestern in Bonn die Menschenrechtsorganisation medico international, das Kurdistan Informationsbüro sowie ein Rechtsvertreter verbotener kurdischer Organisationen die Bundesregierung verantwortlich. Das im November vergangenen Jahres ausgesprochene Verbot der PKK und ihr angeblich nahestehender Vereinigungen sei ein „wesentlicher Faktor der Eskalation“, sagte der Bremer Rechtsanwalt Eberhard Schultz.

Der Anwalt stellte die These auf, ohne die jahrelangen deutschen Waffenlieferungen an die Türkei, das PKK-Verbot sowie die Verhinderung des kurdischen Neujahrsfestes hätte es keine gewalttätigen Auseinandersetzungen, keine Toten und keine Verletzten gegeben. Der Vorsitzende von medico international, Hans Branscheidt, verteidigte die Autobahnblockaden und die Protestformen der vergangenen Tage. Vorwürfe seien nicht gerechtfertigt, wonach die Kurden mit den Aktionen ihrer eigenen Sache geschadet hätten. Vielmehr seien die über viele Jahre hinweg geübten friedlichen Proteste und Appelle wirkungslos geblieben; die türkische Regierung habe während dieser Zeit sogar ihr Vorgehen gegen die Minderheit verschärft und spreche nun offen von einer „Endlösung“ der Kurdenfrage.

Die Ungleichbehandlung deutscher Autobahnblockierer und kurdischer Aktivisten durch die Polizei prangerte ein Vertreter des Kurdistan Informationsbüros an. Ursache der Ausschreitungen sei der Krieg, den die türkische Regierung auch mit deutschen Waffen gegen die Kurden führe. Zur Frage, wer die zeitgleich an verschiedenen Autobahnen stattfindenden Blockaden organisiert hatte, wollten weder er noch Schultz Stellung nehmen.

Am Mittwoch abend hatten die Innenstaatssekretäre von Bund und Ländern die Ausweisung aller Gewalttäter beschlossen. Zudem wollen die Sicherheitsbehörden schärfer gegen die verbotene PKK und deren Ersatzorganisationen vorgehen.

Nachdrücklich ermuntert wurden die deutschen Sicherheitspolitiker gestern vom türkischen Botschafter in Bonn, Onur Oeymen. Die Ausschreitungen seien ein Mißbrauch der Gastfreundschaft, vor allem Gewalttäter müßten ausgewiesen werden, sagte Oeymen im Deutschlandfunk.

Als rechtsstaatliches Paradies für aus Deutschland ausgewiesene Kurden haben Regierungsbeamte in Ankara ihr Land hingestellt. Abgeschobene bräuchten weder Folter noch Strang zu befürchten, erklärten Verfassungsgerichtspräsident Yekta Güngör Özden und ein hoher Regierungsbeamter gegenüber dpa. Die Todesstrafe ist nach Darstellung des ungenannten Beamten „praktisch abgeschafft“.

amnesty international hatte dagegen gewarnt, politisch verdächtige Personen würden in der Türkei oft gefoltert. Ähnlich äußerten sich gestern auch Mitglieder einer deutschen Beobachterdelegation aus Istanbul, die mit türkischen Menschenrechtlern gesprochen hatten.

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