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Sie suchen sich selbst

■ Esoterik-Verkaufsausstellung im Bremer Parkhotel

„Dieser Stand ist für die Erdung da“, sagt Jörn Raeck mit einem leicht ironisch-freundlichen Lächeln. Auf der Esoterik-Verkaufsausstellung im Parkhotel zwischen zahllosen Angeboten an „Sofortheilen“, „Kontakt zum Jenseits“ durch „Lichtpyramide“ und „Atmen in Einfachheit, Einssein“ bietet er Handfestes: burmesische Trommelgongs, Obertonflöten („kein Ansatz notwendig, keine Fingerübungen...“), handgetriebene tibetanische Klangschalen. Dem unentschlossen staunenden Betrachter setzt er eine flache, ca. 60 Zentimeter im Durchmesser breite Trommel auf den Kopf: „Stellen Sie sich vor, Sie liegen in Tahiti am Strand...“ Das Meer beginnt zu rauschen, ganz leicht zunächst, die Wellen werden stärker, nach vierzig, fünfzig Sekunden werden die Geräusche aufdringlich laut, daß man sich fast überspült fühlt – „eine perfekte Illusion“, sagt Raeck und nimmt die Trommel herunter: Hunderte kleiner Metall-Kügelchen sind darin eingeschlossen, durch die obere Plastik-Abdeckung sichtbar, deren Hin- und Herrollen das Meeresrauschen akustisch nachbildet. Für nur 188 Mark und zuhause.

Sie suchen eine Gemeinschaft, die „mit dem Meister im Göttlichen Plan für die Erde arbeitet“? Sie suchen Bergkristalle, die Ihre Aura freimachen? Sie suchen das Runen-Orakel-Spiel oder die Adresse des parapsychologischen Urlaubsseminars in Sotschi am Schwarzen Meer? Bücher, Musik-Kassetten, Meditations-CDs, ein Glasperlen-Orakel-Spiel? Kein Problem, beim „Esoterik-Lichtblick –94“ im Parkhotel ist bis Sonntag nachmittag alles vorrätig. Im West-Flügel des pompösen Hotelbaus sind die Stände dicht gedrängt, satte 1.000 Mark Standgebühr kosten zehn Quadratmeter für die zweieinhalb Tage. Und da wollen die Stand-Betreiber schon was umsetzen.

Wer nicht die erforderliche Portion an Glaubensbereitschaft mitbringt, für den gibt es handfest Nachprüfbares. Eine Frau hält zwei Kabel-Enden in der Hand, die über eine 15 Zentimeter großen Akryll-Pyramide verbunden sind. „Die Dame lädt sich gerade mit kosmischer und Orgon-Energie auf“, erklärt der Verkäufer hinter dem Tapeziertisch. „Ich sage nichts, mal sehen, ob Du was spürst“, sagt der Herr, der sie hier hergeschleppt hat.

Noch eindeutiger geht es bei den Anhängern Bruno Grönings zu. „Ich hatte eine Gürtelrose“, sagt Referent Rainer Lange. Nach einer Begegnung mit der Lehre Bruno Grönings und drei Tagen intensiven Kampfes ging ein Schütteln durch seinen Körper und die Wunden waren mit einer dünnen Haut bedeckt – „ich war geheilt.“ Da habe er gesagt: „Bruno Gröning, wenn Du das alles kannst, dann will ich glauben, daß der Herrgott der größte Arzt ist.“

Gröning war ein Heiler, der in den 50er Jahren zigtausenden Hoffnung machte. Er verstarb 1959, schon im Alter von 53 Jahren. „Sterben müssen alle Menschen“, hinterließ er dem „Freundeskreis“ seiner AnhängerInnen, „ich auch.“ Er allerdings etwas gleicher als die Gleichen: „Aber ich werde nicht tot sein. Wenn man mich ruft, komme ich und helfe weiter, so Gott will.“

K.W.

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