: High-Tech-Autorinnen
■ Demnächst auf CD-ROM: Eine Schriftstellerinnen-Datenbank vom Bremer Verein „Frauen-Literatur-Forschung“ demnächst den Markt beglücken
High Tech, die andernorts – bei IBM etwa – von geschniegelten Herren in edlen Glaskästen kultiviert wird, haben eine Handvoll Bremer Frauen Dachgeschoß eines Privathauses in der Prangenstraße auf die Beine gestellt. 26.000 Schriftstellerinnen haben sie in ihrer Datenbank bislang gespeichert, und eigentlich ist auch diese Zahl ab Nennung schon wieder Farce, denn ständig kommen alte wie neue dazu. Die Frauen von der Bremer Stiftung Frauen-Literatur-Forschung e.V. sammeln, sichten, archivieren „alles“, was sie über Autorinnen in Deutschland auftreiben können. Seit nunmehr elf Jahren. „Gott sei Dank hat unsere Hauptinitiatorin Marion Schulz schon damals nicht mehr mit Karteikarten arbeiten wollen“, sagen sie heute. Ein Unwille, der den Forschungsfrauen inzwischen einen umfangreichen elektronischen Datenpool beschert hat, den sie alsbald auf den Markt bringen wollen.
Schriftstellerinnen in Deutschland seit 1945 – in den PCs der Bremer Forscherinnen schlummert ein Datenbank-Unikum, das neue, soziologische Wege in die Literaturwissenschaft eröffnen könnte: Literarisch publizierende Frauen sind mit ihren Lebensdaten, ihrem beruflichen Werdegang, ihren Arbeitsbereichen, ihrer Wahrnehmung im Literaturbetrieb erfaßt. Aber auch prägende Ereignisse wie die Reisen der Schriftstellerinnen oder ihre Bezugspersonen haben die Bremer Frauen in ihre Computer eingespeist. Darüberhinaus dokumentieren sie in einem bibliografischen Teil Prosa, Lyrik, Dramen, Drehbücher, Übersetzungen, die in Form von Monografien oder Beiträgen in Anthologien, in Zeitschriften oder Zeitungen, in Film, Funk oder Fernsehen erschienen sind.
„Nach so viel akribischer Recherchearbeit wäre es natürlich jetzt so langsam an der Zeit, daß Fachfrauen anfangen, unser statistisches Material auszuwerten“, meint die Mitarbeiterin Ursula Bauer. In den zurückliegenden Monaten haben die Frauen selbst mal ein bißchen mit ihren Daten „gespielt“. Zum Beispiel mit dem inzwischen lückenlos erfaßten Zeitraum zwischen 1945 und 1955. Wie viele Frauen haben damals pro Jahr eine Monografie veröffentlicht? Gab es Konstanten, gab es Schwankungen? Wieviele der Publikationen sind (frauenspezifisch) Übersetzungsarbeiten? Der Fragenkatalog ist lang und dehnbar, und die Fachwelt reagiert auf seine Offerte nun endlich auch ganz angetan.
Seit letztem Jahr nämlich wagen sich die Bremer Frauen aus ihrem Dachgeschoß heraus, besuchen Fachtagungen und Buchmessen und waren beim Leipziger Bibliothekstag. Dort interessierte man sich dann natürlich auch für die Schriftstellerinnen der ehemaligen DDR. „Das sind genau die Daten, die wir vorher sorgsam raussortiert haben. Die suchen wir jetzt wieder“, kommentieren die Frauen lakonisch. Aber sie wollen ja sowieso „noch viele“ Autorinnen aufspüren; sie durften einsehen, daß es so etwas wie eine Ende ihrer Arbeit nie geben wird. Deshalb wollen die Frauen ihr Material auch nicht mehr in Buchform herausgeben, „das wäre ja anachronistisch“. Eine Datenbank auf CD-ROM, die wäre da schon angemessener.
Sie könnte sogar vom Fleck weg produziert werden. Die Finanzierung ist dagegen ein größeres Problem. Und da zeigt sich wieder, daß auch die Stiftung Frauen-Literatur-Forschung e.V. ein typisches Frauenprojekt ist: Eines, das kaum Zuschüsse bekommt, von ehrenamtlicher Mithilfe abhängig ist, sich heute auf BSHG-19-Stellen stützen muß – und auf den guten Willen der großen Schwester Uni Bremen angewiesen ist. Obwohl sie nie ein universitäres Projekt war, ist die Stiftung jedoch stets mit der Universität verbunden gewesen. Diese stellte ihnen den Gerätepark zur Verfügung, als sie 1992 vom Rechenzentrum der Unibibliothek abgetrennt wurden. Und ebenso finanziert sie ihnen die einzige feste Stelle im Hause, die sich Unibibliothekarin Marion Schulz über Halbtagsfreistellung selbst geschaffen hat. Sie ist übrigens auch ganz privat die Hauptgeldgeberin des Vereins.
Silvia Plahl
Frauen wie Institutionen, die auf den Datenpool der Frauen-Literatur-Forschung zurückgreifen wollen, können dies gegen Gebühr tun. Tel. 7 86 13 und 218 46 68. „Für Frauenprojekte sind die Konditionen verhandelbar.“
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