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„Die stempeln Opfer zu Tätern“

■ Herta Däubler-Gmelin: Warum Schönhuber hinter Gitter soll

taz: Frau Däubler-Gmelin, Sie wollen den „Republikaner“-Vorsitzenden Schönbuber hinter Gittern sehen. Wie wollen Sie ihn denn da hinbringen?

Herta Däubler-Gmelin: Ich denke, Sie stimmen mit mir darin überein, daß Terror und Beschimpfung von Minderheiten – jüdischen oder anderen – von unserer Rechtsordnung nirgendwo gedeckt, sondern klar verurteilt werden. Das Anzünden von Kirchen und Sympathie dafür übrigens auch. Und die Verhöhnung der Opfer des Holocaust allemal. Es wird Zeit, daß diese schlichten Wahrheiten wieder allgemeine Gültigkeit erreichen. Wer das nicht aus eigenem Anstand heraus weiß, dem muß man es halt beibringen – gegebenenfalls mit dem Strafrecht.

Nun prüft seit heute die Staatsanwaltschaft Landshut, ob sie gegen Schönhuber wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermitteln soll, zugleich betont sie, ihr seien die Hände gebunden, solange Bubis keinen Strafantrag wegen Beleidigung oder übler Nachrede stelle. Sind das die Eiertänze der Justiz, von denen Sie reden?

Volksverhetzung ist kein Antragsdelikt. Daß Herr Bubis keinen Strafantrag gegen jemand wie Schönhuber stellt, ehrt ihn. Wir aber dürfen die Auseinandersetzung mit solchen Leuten nicht auf Herrn Bubis abschieben. Das ist Sache unserer ganzen Öffentlichkeit und unserer Rechtsordnung.

Falls er freigesprochen oder das Verfahren gar nicht erst eröffnet würde, hätte Schönhuber die gerichtliche Bestätigung, daß sein Tun erlaubt ist, ein für ihn nicht unerheblicher Propagandaeffekt.

Leute wie Schönhuber machen immer und ausschließlich Propaganda. Vernünftige Richter und gute Staatsanwälte stellen sich darauf ein. Die brauchen wir. Es gibt viele gute und qualifizierte Leute in diesem Bereich – daß immer wieder Pannen passieren ist gleichwohl mehr als ärgerlich.

Reicht die konsequente strafrechtliche Verfolgung, oder müssen die Gesetze verschärft werden?

Die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Hetzern dürfen wir nicht allein Polizei, Justiz und Gerichten überlassen – das geht alle Bürgerinnen und Bürger an. Wer heute nicht den Mund aufmacht, wird sich das morgen vorwerfen müssen. Ich meine jedoch, daß unter anderem der Volksverhetzungsparagraph im Strafgesetzbuch längst eindeutiger gefaßt gehört: Es geht ja nicht um schlichten historischen Blödsinn, wenn die Rechtsextremisten den Holocaust leugnen. Die wollen damit hetzen, die verhöhnen genau damit die Millionen Opfer; die wollen Opfer zu Tätern und rechtsextremistische Täter zu Opfern stempeln.

Sie sollen Parteien schlicht verbieten, wenn sie einen Anschlag wie den in Lübeck decken. Wo fängt denn da das „Decken“ an, und wo hört die freie Meinungsäußerung auf?

Von „schlicht verbieten“ kann im Zusammenhang mit Parteien nie die Rede sein. Auch bei anderen politischen Gruppierungen ist so etwas nicht einfach. Wegen des Grundrechts auf Meinungsfreiheit ist das auch gut so. Daß aber auch Verbote zu der Bekämpfung der braunen Pest gehören müssen, ist klar. Und daß Brandanschläge auf jüdische Synagogen das Gegenteil von unserer verfassungsrechtlichen Ordnung sind – das auch. Interview: Dieter Rulff

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