„Mit Schlachtschiffen herausholen“

■ Die Ängste der Weißen nach dem Notstand in Südafrika

Durban/Johannesburg (taz)

Die ältere Dame mit blaugrauer Dauerwelle legte die schmuckbewehrte Hand beruhigend auf den Unterarm ihrer Nachbarin in der Wartehalle des Flughafens von Durban. „Nur keine Aufregung“, säuselte sie, „die Briten werden uns mit Schlachtschiffen herausholen.“ Augenrollend wandte sich ein mithörender britischer Diplomat ab. Dabei hatte gerade Südafrikas Presseagentur Sapa das Feuer der nervösen Hysterie angefacht: Eine britische Fluggesellschaft, so meldete sie allen Ernstes, denke bereits an Evakuierungsflüge. Leider sollten aber nicht alle 1,3 Millionen weißen Südafrikaner mit doppelter südafrikanisch-britischer Staatsbürgerschaft herausgeholt werden, sondern nur die 50.000 bis 60.000 Inhaber von ausschließlich britischen Ausweisen.

Die Wahrheit: Höchstens die britische Botschaftsmannschaft kann, wie auch bei Krisenfällen in anderen Staaten, auf schnellen Abtransport hoffen. Da sind laut Sapa die Portugiesen weitaus zuvorkommender. In Lissabon, so die Agentur, würden ebenfalls Pläne vorbereitet, die 600.000 Landsleute am Kap zu evakuieren. Logistisch ist dies zwar unmöglich, aber die weißen Südafrikaner glauben in ihrer Krisenhysterie selbst solchen Unsinn.

„Beruhigen Sie sich“, hatte Staatspräsident de Klerk seine Landsleute aufgefordert, als er am Donnerstag den Notstand in der Provinz Natal ausrief, „wir haben alles unter Kontrolle.“ Außer der südafrikanischen Gerüchteküche. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein“, stöhnte ANC-Pressesprecher Carl Niehaus, als er um die Bestätigung der neuesten Parole aus Durban, der Stadt in Natal mit dem siebtgrößten Hafen der Welt, gebeten wurde: Am Tag nach den Wahlen werde der ANC das Wasser absperren.

Jahrelang verhielten sich die Weißen in ihren Designervillas im Johannesburger Norden, als ob die Entwicklung im restlichen Südafrika auf einem anderen Stern stattfinde. Aber nachdem am Montag der vergangenen Woche 53 Menschen bei Auseinandersetzungen in Johannesburg starben und in Natal der Notstand verkündet wurde, dauerte es nur ein paar Stunden, bis vor einem Gasflaschenladen im Vorort Randburg die Villenbewohner Schlange standen. „Ich drücke denen eine Gebrauchsanweisung und eine Gasflasche mit Lampe in die Hand“, brachte der genervte Inhaber des Ladens gerade noch hervor, bevor sich der nächste Kunde darüber aufregte, daß der Vorrat aufgebraucht war. Lediglich ausländische Touristen, die nach wie vor in Scharen kommen, scheinen von der Krisenhysterie nicht ergriffen zu sein. Aber landesweit berichten Supermärkte, daß alle nichtverderblichen Waren gekauft werden wie schon lange nicht mehr. Ein Manager in Johannesburgs Villenviertel Parkview: „Alles, was lagerbar ist, geht weg wie warme Semmeln.“ Willi Germund